Ausstellungshighlights des Jahres 2023
von Susanne Bloss, Venedig
1. Perugino in Perugia
2023 jährt sich der 500. Todestag von Perugino, in dessen Werkstatt auch der große Raphael in die Lehre ging. Vom 4. März bis zum 11. Juni 2023 widmet die Galleria Nazionale dell’Umbria von Perugia Pietro Vannucci, genannt Perugino, eine große Ausstellung. Der Titel der Schau lautet „Il meglio maestro d’Italia“. Zu sehen sind über 70 Meisterwerke, die der umbrische Maler auf dem Höhepunkt seines Erfolgs bis 1504 malte.
2. El Greco und Goya am Palazzo Reale in Mailand
El Greco und Goya widmet der Palazzo Reale in Mailand eine umfangreiche Werksschau. El Greco macht den Anfang vom 13. Oktober bis zum 4. Februar 2024. Dabei steht seine italienische Zeit zwischen Rom und Venedig im Fokus, die seiner Malerei eine entscheidende Wende gab. Fast zeitgleich zeigt das Mailänder Museum vom 31. Oktober 2023 bis zum 3. März 2024 Werke von Francisco Goya, die seinen wechselvollen Werdegang aufzeigen.
3. Marcel Duchamp in der Peggy Guggenheim-Kollektion
Marcel Duchamp schärfte in Paris Peggy Guggenheims Sinn für die moderne Kunst und seine Werke wurden folgerichtig auch ein wichtiger Bestandteil ihrer Sammlung. Vom 14. Oktober 2023 bis zum 18. März 2024 zeigt das Museum am Canal Grande seine Werke um das Meisterwerk Boîte-en-valise in einem neuen Licht. Dazu gesellen sich wichtige Leihgaben aus großen italienischen und amerikanischen Museen sowie Privatsammlungen.
4. Die Renaissance in Ferrara im Palazzo dei Diamanti
Ercole de’ Roberti, Dittico Bentivoglio (Giovanni II e Ginevra Bentivoglio), 1473 74, Washington, National Gallery of Art, Samuel H. Kress Collection
Über 100 Meisterwerke aus den wichtigsten Museen der Welt bilden hier vom 18. Februar bis zum 19. Juni 2023 ein einzigartiges Ensemble, aus dem sich Ferraras Bedeutung für die Renaissance-Kunst erschließt. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen insbesondere die Meister aus Ferrara Ercole de’ Roberti e Lorenzo Costa, die im Konzert der großen Renaissance-Künstler fast untergingen.
5. Roms antike Gesellschaft in den Musei Capitolini
La Roma della Repubblica. Il racconto dell’archeologia. Musei Capitolini
Diese Ausstellung zeigt die Veränderungen der antiken römischen Gesellschaft, in der die Republik als höchste Staatsform gepriesen wurde. Vom 13. Januar bis zum 24. September werden in den Sälen des Palazzo Caffarelli unter dem Titel „La Roma della Repubblica“ 1800 archäologische Exponate zu sehen sein, die normalerweise in den Kellern des Antiquariums aufbewahrt werden.
6. Renoir und Italien im Palazzo Roverella
Im Palazzo Roverella, in Rovigo nahe Padua wird vom 25. Februar bis zum 25. Juni 2023 eine Ausstellung Pierre Auguste Renoirs Verhältnis zu Italien und den italienischen Meistern beleuchten. Während seiner italienischen Reise setzte sich der französische Impressionist intensiv mit den Meistern der italienischen Renaissance auseinander und fand so zu einer neuen, revolutionierenden Bildsprache.
7. Raphael und Palladio im Museum von Vicenza
Der 1520 unter mysteriösen Umständen verstorbene Raphael, der bis zu seinem Tod als Chefarchitekt den Bau des Petersdoms leitete, hatte in Andrea Palladio aus Vicenza einen eifrigen Nachahmer. Eine Ausstellung, die das Palladio Museum von Vicenza vom 6. April bis zum 9. Juli 2023 zeigt, beleuchtet unter dem Titel „Nella mente di Raffaello“ den Einfluss, den Raphael auf Palladio hatte.
8. Die Barberini, der Papstthron und die Kunst
Anlässlich der 400jährigen Wahl zum Papst von Urbano VIII Barberini zeigen die Gallerie Nazionali di Arte Antica von Rom von März bis Juli 2023 die außergewöhnliche Rolle dieser Familie in der Barockkunst Roms, in der Caravaggio, Bernini und Poussin unnachahmliche Akteure waren. Viele Kunstwerke, die später in alle Welt verkauft wurden, sind dann hier erstmalig im Zusammenhang zu sehen.
9. Die Pinault Collection und Palazzo Grassi
Im venezianischen Palazzo Grassi, das einst die FIAT-Gruppe von Gae Aulenti zu einem Museum umbauen ließ, zeigt seit geraumer Zeit Francois Pinault neben der Punta della Dogana seine einzigartige Sammlung moderner Kunst. Vom 12. März bis zum 7. Januar 2024 400 Werke der Photographie des 20. Jahrhunderts. Vom 2. April bis zum 26. November 2023 zeigt die Schau Icônes eine Auswahl aus der Pinault Collection, in der es zum einzigartigen Dialog zwischen Künstlern wie David Hammons/Agnes Martin, Danh Vo/Rudolf Stingel und Sherrie Levine/On Kawara kommt.
10. Endlich wieder Architektur-Biennale
Vom 20. Mai bis zum 26. November 2023 eröffnet wieder die Architektur-Biennale di Venezia ihre Pforten. Kuratiert wird die 18. Architektur-Biennale von der Architektin Lesley Lokko, die den Fokus auf den afrikanischen Kontinent lenkt.
11. Elend und Aristokratie von Giacomo Ceruti
„Miseria e Nobiltà. Giacomo Ceruti nell’Europa del Settecento“, mit dieser Ausstellung huldigt die diesjährige italienische Kulturhauptstadt Brescia einem großen lombardischen Maler. Ab dem 14. Februar sind im Museo di Santa Giulia über 100 Werke nicht nur von Giacomo Ceruti, sondern auch von zeitgenössischen Malern wie Moroni, Bellotti, Monsù, Todeschini oder Ribera zu sehen. Ab dem 18. Juli 2023 wird die Ausstellung im amerikanischen J. Paul Getty Museum zu sehen sein.
Gottvaters 700. Todestag
Von Vincenzo Delle Donne, Forlì
Dante Alighieri gilt als der übermächtige Vater der italienischen Sprache und Literatur. Der Florentiner war Dichter, Philosoph und Politiker. Mit seiner grandiosen Göttlichen Komödie prägte er wie kaum ein anderer die Literatur, das Denken und Ästhetik des Abendlandes. Mit großem kunsthistorischen Sachverstand gedachte man im Museo San Domenico von Forlì dem großen Nationaldichter, dessen 700. Todestag sich im kommenden September jährt. Eine außergewöhnliche Ausstellung zeigte Dantes großen Einfluss auf die Kunst: von der Renaissance bis hin ins 20. Jahrhundert. 300 Exponate, die von Gianfranco Brunelli und dem Deutschen Eike Schmidt sorgfältig ausgesucht wurden, zeigten eindringlich, wie groß der Einfluss Dantes auf die nachfolgenden Kunstepochen war.
Dante war der Fixstern der Renaissance, insbesondere der florentinischen Renaissancekünstler Sandro Botticelli und Michelangelo Buonarroti, die die klassische Antike zu neuem Leben erweckten. Seine letzten 20 Lebensjahre musste Dante im Exil verbringen. Vor 700 Jahren starb er in Ravenna, wo er auch begraben liegt.
Sein Engagement als florentinischer Politiker und Papst-Gegner wurde Dante zum Verhängnis. Er musste den Rest seines Lebens im Exil verbringen, d. h. außerhalb von Florenz. Zumeist in Verona und später in Ravenna. Wie sah Dante überhaupt aus? Nach seinem florentinischen Landsmann Giovanni Boccaccio war er klein, hatte ein längliches Gesicht und eine Adlernase. Doch an diesem Bild, das durch die gesamte Kunstgeschichte geistert, gibt es begründete Zweifel.
Wegen seiner deklarierten Feindschaft zum Papst hatte ihn seine Heimatstadt Florenz 1302 zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Dante war damals 37 Jahre alt. Darüber hinaus verfügte es die Zerstörung seines Wohnhauses.
Das Versepos Göttliche Komödie war Dantes Meisterwerk. Er verfasste es im florentinischen Volgare, der Umgangssprache der Gebildeten und nicht im klassischen Latein, wie in seiner Zeit noch üblich war. Damit setzte er das Florentinische als italienische Nationalsprache durch. Darin unternimmt Dante eine Zeitreise von der Antike bis zu seiner Zeit und prägte maßgeblich das Weltbild des Abendlandes. Michelangelo setzte Dante mit seinem Jüngsten Gericht in der Sixtinische Kappelle in Rom ein unvergängliches Denkmal.
Dantes bezirzende Muse war die unerreichbar schöne Beatrice. Seine tiefe platonische Liebe zu ihr besang er in unzähligen Formen und propagierte damit ein neues liebreizendes Frauenbild in der Dichtung und der Literatur.
Dantes Vorstellung von Hölle, Fegefeuer und Paradies setzte Michelangelo meisterlich um. Der Meister selbst sah sich übrigens im Purgatorio, im Fegefeuer.
Ein besonderes Highlight am Ende der Schau war Michelangelos berühmte Pietà, die er nach den neuplatonischen Prinzipien 1503 fertig stellte. Michelangelo erntete dafür auch Kritik, weil er die Madonna so jung wie Jesus darstellte. Hier sehen wir eine Gipskopie aus den Vatikanischen Museen.
Raphaels 500. Todestag
von Vincenzo Delle Donne, Rom
Ein halbes Jahrtausend nach dem Tod eines großen Künstlers will normalerweise gebührend begangen werden: Am 2. April 2019 betraf es Leonardo da Vinci, dem Vater der Renaissance-Kunst, der durch sein Wirken folgende Künstlergenerationen maßgeblich beeinflusste; am 6. April 2020 jährte sich der Todestag vom göttlichen Raphael, der viel zu früh verstarb.
Doch beide Renaissance-Künstler hatten auch 500 Jahre nach ihrem Tod großes Pech. Denn der Corona-Virus vermasselte eine entsprechende museale Würdigung ihres Schaffens. Leonardo da Vincis Ausstellung im Louvre, in der die 14 Gemälde gezeigt wurden, die ihm eindeutig zuzuweisen sind, wurde im Schlussspurt notgedrungen abgewürgt. Nicht genug, dass sein Todestag in Italien aus bekanntem Unvermögen fast gänzlich unterging.
Raphaels grandiose Schau in den Scuderie del Quirinale in Rom hingegen musste kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen werden. Tröstlich war, dass die einzigartige Schau verlängert wurde. Ab Oktober eröffnet eine Ausstellung in der römischen Villa Farnesina die Pforten, die ein bisschen Wiedergutmachung leistet.
Wem es partout nicht vergönnt ist, nach Rom zu kommen, sei dieser Buchtipp in eigener Sache empfohlen, der das Leben und die Beziehung der Beiden kurz, bündig und interessant nachzeichnet.
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Tintoretto: Rebell und Malergenie
von Vincenzo Delle Donne, Venedig
Tintoretto, übersetzt Färberlein, wie er abschätzig genannt wurde, war ein Autodidakt und nach dem florentinischen Künstlerbiographen Vasari “leidenschaftlich”, “schrecklich” und verfügte über einen unbändigen Willen. Sein wahrer Name war Jacopo Robusti und er orientierte sich an Michelangelo, Raphael und Giulio Romano. Den Spitznamen erhielt er, weil sein Vater Stofffärber in der Lagunenstadt war. Meisterlich konnte er in seinen Bildern mit der Perspektive und dem Licht umgehen und schaffte Werke voller Bewegung, Dramatik und Widerspruch. Die Musei Civici di Venezia und die National Gallery of Art di Washington feiern nun mit hinreißenden Ausstellungen den 500. Geburtstag des Künstlers, der neben Tiziano, Giorgione und Veronese nicht nur die Malerszene in Venedig, sondern auch die Spätrenaissance in Italien und in Europa beeinflusste.
Tintorettos Werdegang war nicht einfach, zumal die Konkurrenz in der Lagunenstadt hauptsächlich durch die Malerwerkstatt Tizians groß war. Er setzte sich aber insbesondere in der Portraitkunst reicher Venezianer durch, wo er zu wahrer Größe auflief. Von strahlender Schönheit ist beispielsweise sein Selbstportrait aus dem Jahr 1546/1547, das durch ein revolutionäres Hell-Dunkel-Spiel hervorsticht. Die kirchlichen Auftraggeber kritisierten ihn oft, er führe seine Werke zu schnell aus. Das kümmerte ihn aber wenig. Um an Aufträge zu kommen, war er sogar bereit, seine Werke unter Preis zu verkaufen. Nach Tizians Tod schaffte er dann endgültig den großen Durchbruch und wurde zum gefragtesten Maler, der Kirchen und Paläste mit seinen großformatigen Bildern verschönte.
Rund 70 Bilder aus aller Welt sind nun im Dogenpalast zu sehen. Werke seiner Frühphase sind hingegen in den Gallerie dell’Accademia zu sehen. Komplettiert wird die Riesenschau mit den Werken in der Scuola Grande di San Rocco, in der Curia Patriarcalesowie in zahlreichen Kirchen Venedigs, wo Tintorettos Werke noch heute hängen und von der einstigen Pracht der Serenissima zeugen.
Die wahren Highlights der Ausstellung hängen aber im Dogenpalast. Da kann man zum Beispiel die strahlende „Susanna im Bade“ bewundern, die sich im Wohlgefallen der eigenen natürlichen Schönheit und Jugendlichkeit vor den Augen von voyeuristischen Alten entblößt und badet. Faszinierend ist auch das Gemälde “Tarquinio e Lucrezia”, das die Vergewaltigung Lucrezias durch den Sohn des Königs Tarquinius zeigt. Sie wird dezent durch den Riss der Perlenkette angedeutet. Tarquinius wird durch diese Schandtat Lucrezia in den Selbstmord treiben. Gerade an diesen beiden Bildern zeigt sich, welch enormer Einfluss Michelangelos neoplatonische Körperlichkeitsempfinden auf Tintoretto ausübte. Tintoretto war ein wahrer Meister darin, die Dunkeltöne und die verschiedenen Schwarzabstufungen abzubilden und den schmalen Grat zwischen Hell und Dunkel umzusetzen. Gerade mit dieser Technik hat er selbst herausragende Vertreter der Barockmalerei wie Caravaggio, Carracci, Bernini oder Borromini entscheidend beeinflusst.
16. Architektur-Biennale: Nachdenken Freiräume der Architektur
von Susanne Delle Donne
Die 16. Mostra Internazionale di Architettura della Biennale di Venezia, die am 26. Mai 2018 in der Lagunenstadt beginnt, trägt den Titel FREESPACE und wird vom Architekten-Duo Yvonne Farrell und Shelley McNamara kuratiert. Im Mittelpunkt der internationalen Schau steht also das Nachdenken über die freien Räume der Architektur, in denen der heutige Mensch zu leben gezwungen ist oder einfach leben will.
Yvonne Farrells und Shelley McNamaras Biennale-Konzeption basiert eigentlich auf dem Manifest FREESPACE, das sie im Juni 2017 verkündeten. Es habe sich als ein solides Grundinstrument erwiesen, erklärten sie bei der jüngsten Vorstellung der Mostra, um eine so große Ausstellung thematisch zu orientieren. An der Mostra FREESPACE, die üblicherweise im Padiglione Centrale ai Giardini und am Arsenale stattfindet, nehmen insgesamt 71 Länder teil. Daneben gibt es zwei Sondersektionen: An der ersten unter dem Titel Close Encounter, meetings with remarkable projects beteiligen sich weitere 16 Teilnehmer, die bekannte Projekte der Vergangenheit kritisch reflektieren; in der Sektion The Practice of Teaching präsentieren indes 13 Teilnehmer Projekte, die von den jeweiligen Architekturschulen entwickelt wurden.
Eingebung und Kreativität im Großen und Kleinen soll also im Vordergrund stehen, und dafür werden zahlreiche Projekte präsentiert: historische Gebäude, die von Archiktekten zu neuem Leben erweckt wurden; neue Modelle des Wohnens sowie notwendige Infrastrukturmaßnahmen des öffentlichen Lebens. Ein besonderes Augenmerk gilt darüber hinaus der “Lehre” der Architektur, die auf ihre Grundveraussetzungen hinterfragt werden soll. “Als wir unser Manifest FREESPACE verfassten, wollten wir hauptsächlich, dass das Wort Raum darin vorkam”, bekräftigten die Kuratorinnen. Sie wollten damit auch zu einem Nachdenken über alte Begrifflichkeiten in einem neuen Kontext beitragen, damit “die Ziele, die Wünsche und Generösität der Architektur” klar würden. Man darf auf die Schau gespannt sein.
Juristisches Possenspiel um die neuen Museum-Direktoren
von Gianluca Delle Donne
Der unvorstellbare Kulturreichtum Italiens liegt eigentlich seit Urzeiten brach, weil er weder entsprechend gewürdigt noch ökonomisch adäquat verwaltet wird. Das musste nach dem deklarierten Willen der letzten Renzi-Regierung, die daraus ein Aushängeschild machte, unbedingt abgestellt werden. Deshalb ging Kulturminister Dario Franceschini bei der Ernennung von insgesamt 20 neuen Museumsdirektoren 2015 neue, kühne Wege. Nach der Verabschiedung eines neuen Autonomiegesetzes ließ er nämlich die Besetzung der nationalen Museen-Tempel international ausschreiben. Auch drei deutsche Aspiranten dankten es ihm. So ging die Leitung der weltberühmten Uffizien an Eike Schmidt, an Cecilie Hollberg die florentinische Galleria dell’Accademia, und der junge Archäologe Gabriel Zuchtriegel wurde für den berühmten archäologischen Park von Paestum auserwählt. Aber damit nicht genug. Das neapolitanische Museo di Capodimonte ging an den Franzosen Sylvain Bellenger, die Pinacoteca di Brera an den Briten kanadischen Ursprungs James Bradburne und für die Galleria Nazionale delle Marche den Österreicher Peter Aufreiter. 7 von 20 Stellen gingen also an ausländische Bewerber, was die italienischen Konkurrenten auf die Barrikaden trieb. Jetzt hat aber das Verwaltungsgericht der Region Latium, in dessen Kompetenzbereich die ministerielle Ernennung der neuen Museumsdirektoren fällt, 5 der Ernennungen für Taranto, Neapel, Reggio Calabria, Mantua und Modena für ungültig erklärt. Italienische Konkurrenten hatten das Verwaltungsgericht wegen der offensichtlichen Formfehler beim Auswahlverfahren angerufen, weil sie meinten, dass ihre Veröffentlichungen nicht entsprechend berücksichtigt worden seien.
Schmidt und Hollberg betrifft die Annullierung nicht. Auch Gabriel Zuchtriegel in Paestum konnte sich übrigens gerade noch retten, weil der Widerspruch gegen seine Ernennung nicht fristgerecht eingereicht wurde. Die Begründung des Gerichtes war übrigens relativ eindeutig: Neben der undurchsichtigen Auswahlkriterien, der mangelnden Transparenz bei der Zuteilung von Bewertungspunkten und der nicht öffentlichen mündlichen Prüfung hatte der Minister in seinem Reformeifer schlichtweg vergessen, einen wichtigen Passus aus dem alten Gesetz zu streichen. Dieser besagt nämlich, dass Direktoren-Stellen nur mit Italienern besetzt werden dürfen. Und die oben genannten Kandidaten sind eben allesamt Ausländer im Sinne des Gesetzes.
Minister Franceschini sprach derweil von einer „Schande vor den Augen der Weltöffentlichkeit“ und hat nun angekündigt, die Entscheidung des römischen Verwaltungsgerichts vor dem obersten Verwaltungsgericht anzufechten. Zudem musste er auch die übrigen Museumsdirektoren beruhigen, die zwar nicht vor dem Gerichtsurteil betroffen, aber trotzdem in heller Aufregung sind. Denn unabhängig vom Verwaltungsgericht könnte bald auch der oberste Rechnungshof die Ernennungen aller ausländischen Museumsdirektoren aufgrund des evidenten Formfehlers im Gesetz für null und nichtig erklären. Die Folgen wären für sie desaströs. Denn sie wären nicht nur ihren Job los, sondern müssten auch die seit 2015 erhaltenen Bezüge zurückerstatten. Ein ganz schöner Schlamassel.
57. Biennale von Venedig: Kunst und Leben
von Susanne Delle Donne
Christine Macel wollte wohl in allen erdenklichen Formen zeigen, dass die zeitgenössische Kunst lebt und dass sie auch hochleben lassen. Den roten Faden gibt sie höchstpersönlich vor. Ihre Schau der Weltkunst „Viva Arte Viva“, so wie sie zusammengestellt hat, habe sich eindeutig am Humanismus inspiriert, bekennt die französische Kuratorin der 57. Kunst-Biennale von Venedig freimütig. Humanismus? Nicht im klassischen Sinne natürlich. Und schon gar nicht einer, der, wie man meinen könnte, einfach den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Vielmehr intendiert Macel einen „Humanismus“, in dem sich der Mensch durch die Kunst von allen Zwängen seiner Welt entledigt. „Es ist ein Humanismus, in dem der künstlerische Schaffensprozess gleichzeitig ein Akt des Widerstandes, der Befreiung und der Großzügigkeit ist“, sagt sie. Schließlich sei gerade heute die Kunst sozusagen die letzte Bastion und Freiheit des modernen Menschen, der in der Kunst zum Mahner und Unkenrufer würde. Macels griffige Quintessenz: „Viva Arte Viva ist eine Biennale mit den Künstlern, von den Künstlern und für die Künstler!“ Schöne Formulierung.
Gleichwohl kommt Macels Humanismus-Verständnis ohne eine gewisse Zahlsymbolik nicht aus. Denn sie hat die Biennale, die irgendwie einem bunt- schrillen Jahrmarkt ähnelt, in neun Kapitel unterteilt – oder besser in neun „Kunstfamilien“. Zwei werden dann im Padiglione Centrale in den Giardini ausgestellt, die anderen 7 hingegen im Arsenale und in den Giardini delle Vergini. Daneben gibt es die 86 nationalen Pavillons, die die jeweiligen Länder verantworten. Insgesamt 120 Künstler aus 51 Ländern nehmen an der diesjährigen Biennale teil. Von diesen sind 103 zum ersten Mal dabei. Und überall ereifert man sich Performance-Kunst darzubieten, Musik und Töne inklusive, als müsse man den Kunstgenuss auch sinnlich und hörbar machen.
Folgerichtig ist demnach, dass die deutsche Künstlerin Anne Imhof den Goldenen Löwen für ihre „faustische“ Performance zugesprochen wurde: sechs Dobermann-Hunde, an die NS-Diktatur verweisend, bewachen in einem Zwinger just das frisch restaurierte Germania-Gebäude auf dem Giardini-Areal. Nach dem Gebäude-Durchbruch des letzten Jahres auf der Architektur-Biennale, der die Öffnung Deutschlands repräsentieren sollte, wurden jetzt im Innern Gitter eingezogen, ein zweiter Boden aus Stahl und Glasplatten sowie Nischen an den Wänden angebracht. Die ideale Bühne im Grunde für die zeitgenössische faustisch-deutsche Interpretation von sechs jungen Künstlern und gleichzeitig auch ein Symbol für ein großes, reiches, mächtiges Deutschland, das sich vom Rest der Welt abschottet. Die Parallelen zur Gegenwart sind verstörend und aktuell.
Als bester Künstler wurde ein weiterer Deutscher ausgezeichnet: Franz Erhard Walther. Der 78jährige macht aus Formen, Farben und Stoffe ein Gesamtkunstwerk. Ein jünger, zuweilen in Berlin lebender Künstler wurde von der Jury für sein Talent ausgezeichnet. Der 1986 im Kosovo geborene Künstler Petrit Halilaj, der die Geschichte des Kosovo eindringlich mit seinen Kindheitserinnerungen und Schöpfung verwebt.
Der Goldene Löwe für das Lebenswerk ging indes an die amerikanische Künstlerin Carolee Schneemann: eine Pionierin der feministischen Performance und Body Art. Schon Anfang der Sechziger Jahre entdeckte sie ihren Körper als wichtigste Ausdrucksform ihrer Kunst und befreite gewissermaßen die Frau vom Klischee des Sexobjektes, indem sie sich beispielsweise beim Sex mit ihren Partner filmte.
Janine von Thüngens Skulpturen in Palladios Malcontenta-Villa
von Vincenzo Delle Donne
Janine von Thüngen lebt und arbeitet seit nunmehr 17 Jahren an der Via Appia in Rom. Zuvor suchte die deutsche Bildhauerin in Antwerpen, New York, Moskau und Paris nach ihrem eigenen Stil in der schrillen und schnelllebigen Kunstwelt. Doch erst in der Ewigen Stadt kam ihr gewissermaßen die richtige Eingebung. Hier entstand nämlich die Idee für Bronzeplastiken, die höchst eigenwillig gewissermaßen Zeit und Raum verbinden und überwinden. Und der Ort der besonderen Eingebung hätte nicht mythischer und geschichtsträchtiger sein können: die sagenumwobenen römischen Katakomben, die durch die Christenverfolgungen zu unrühmlicher Berühmtheit gelangten.
Von Thüngen beschloss nämlich, Abdrücke der durch Menschenhand über Jahrhunderte und Jahrtausende geformte Oberflächenstrukturen in unterirdischen Kulturräumen zu nehmen, und erhielt so Plastiken mit einem doppelten Gesicht. Dorthin, wo sich Menschen und Verfolgte zurückzogen, um den Widrigkeiten des Lebens zu trotzen oder einfach um Schutz vor Verfolgung zu suchen, waren Lebensräume der besonderen Art entstanden.
Zeit und Raum erhalten so durch die Arbeit von Janine von Thüngen ein neuartiges, modernes Gesicht. Zeitgleich zur Kunst-Biennale von Venedig werden ihre Skulpturen nun in den Gärten von Andrea Palladios prächtiger Renaissance-Villa Foscari-Malcontenta präsentiert und treten in einen besonderen Dialog zur klassischen Licht- und Architektur-Komposition des berühmten Renaissance-Architekten aus Vicenza. Unter dem Titel Eternity I und II können die mächtigen Skulpturen, deren Komposition der renommierte Kunsthistoriker Bruno Corà kuratierte, bis zum 27. Oktober 2017 besichtigt werden.
Aus den Spuren der Untiefen des Menschen und seiner gestalteten unterirdischen Räume schuf von Thüngen so übermächtige Bronzeskulpturen, die spiralförmig angeordnet auch die sattgrünen Gärten der Palladio-Villa ausfüllen. “Sie interpretieren nicht nur plastisch neu und ästhetisch originell die ewige Frage von Vergangenheit und Gegenwart, sondern treten auch poetisch in einen fruchtbaren Dialog mit demjenigen, der die Renaissance-Architektur maßgeblich prägte”, sagt Bruno Corà.
Art Déco: die italienische Kunst des Schönen und Vergänglichen
von Susanne Delle Donne
Art Déco heißt die italienische Folgeströmung des Jugendstils der Wiener Sezession. Auch er ist ähnlich verspielt, mondän und sinnlich und hat die Kunst der Zwanziger Jahre maßgeblich geprägt. Seine Künstler gaben sich nach der dramatischen Erfahrung des Ersten Weltkrieg dem Schönen und Vergänglichen hin. Eine sehenswerte Ausstellung in den Musei di San Domenico in Forlì zeigt hauptsächlich die italienische Seite dieser Kunstströmung, die nennenswerte Ableger auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Spanien hatte.
Was modern und schön war, änderte sich mit der Art Déco radikal. Die Linien wurden fließend, serpentinartig und der Natur symbolistisch nachgebildet; überhaupt wurden in der Natur die Gesetzmäßigkeiten des Universums ausgemacht, die in der Kunst zum neuen Stil erhoben wurden. Im Gefolge des italienischen Futurismus kam die Art Déco erst richtig mit der Pariser Weltausstellung im Jahr 1925 auf, die den Arts Décoratifs gewidmet war. In Italien wurde dieser neue Stil zur allbeherrschenden Formsprache erhoben: ob in der bildenden Kunst, der Skulptur oder in der Werbung und in dem Industriedesign. Kinosäle, Bahnhöfe, Theater, Ozeandampfer oder Bürgerhäuser wurden nach seinen Schönheitsideal gebaut.
Aber auch Malerei und Bildhauerei ahmten die neue Kunst nach und trieben sie zur Meisterschaft: angefangen bei den Beleuchtungsanlagen Zecchins und Veninis bis hin zu den prächtigen Keramiken von Gio Ponti und Guido Andlovitz und den Skulpturen von Adolfo Wildt, Arturo Martini und Libero Andreotti. Nicht unerwähnt bleiben sollten die extravaganten Möbel- und Stoffkreationen von Buzzi, Ponti, Portaluppi und Fortuny. In vielen Werken wird die Frau einerseits als Muse, andererseits als erotisches Rätsel zelebriert, die aber gleichzeitig ein neues, fast feministisches Selbstverständnis reklamiert.
Giambattista Tiepolo: Wo alles begann
von Gianluca Delle Donne
Giovanni Battista Tiepolo (1696 - 1770) war ein famoser venezianischen Malerfürst zwischen dem Barock und dem Rokoko, als die einst so strahlende Seerepublik kurz vor dem Untergang stand. Und wie kaum ein anderer liebte er es, theatralisch Heldenepen, Historien, Opernszenen, Götterfesten und auch Altäre darzustellen. Seine unverwechselbare Handschrift: Er bereicherte die Motive mit einer Vielzahl von Putten und Amoretten.
An die Malkunst wurde Tiepolo zunächst von seinem Onkel herangeführt, doch erst sein Lehrer Gregorio Lazzarini entzündete seine Passion und brachte ihm die Finessen der Kunst bei, weshalb er schon bald seine eigene Malwerkstatt in Venedig eröffnete. Sein erstes großes Meisterwerk gelang ihm jedoch in Udine, wo ihn der Patriarch Daniele Delfin mit der Ausschmückung des Bischofspalastes beauftragte. Gerade diese Freskenarbeiten machten ihn schlagartig über die Grenzen Venedigs und Italiens bekannt - auch in Deutschland. Damit avancierte Giovanni Battista Tiepolo zum bedeutendsten italienischen Maler seiner Zeit. Die Arbeiten in der Würzburger Residenz gelten dabei als Hauptwerk Tiepolos. Im Treppenhaus zeigen die Fresken die vier Erdteile. Im Kaisersaal bildet er die Hochzeit von Friedrich Barbarossa und Beatrix von Burgund, sowie die Belehnung des Fürstbischofs mit den Rechten eines Reichsfürsten ab. Insgesamt bilden die Würzburger Fresken ein sagenhaftes erdumspannendes Staatsgemälde.
Tiepolos Gesamtwerk, der sich immer auf einem schmalen Grat zwischen Sakralem und Profanem bewegt, lässt sich in fünf Schaffensphasen unterteilen. Die erste umfasst das Schaffen in Venedig und Udine. Es folgten die erste Reifezeit in Bergamo, Mailand und anderen Städten. In der dritten Phase, die als klassischen Blüte bezeichnet wird, schuf er die Werke in Würzburg, am Palazzo Labia in Venedig und der Villa Valmarana ai nani bei Vicenza. Die letzten zwei Phasen umfassen hingegen die Alterswerke in Venedig und in Madrid, wo er schließlich auch starb.
Tiepolo verwendete bis her noch nie dagewesene Farbnuancen, mit denen er überdimensionale Räume plastisch machte. Außergewöhnlich war auch seine Technik der Perspektive, die er mit hellen und chromatischen Tupfer erreichte.
Il Rinascimento in Arezzo