Über den Siegeszug einer essbaren Distel
von Helga Schön
Die distelartige Artischocke: Sie ist eine prächtige Kultur- und Heilpflanze, die frostempfindlich und zum Sinnbild für den Mittelmeerraum geworden ist. Erste Berichte gehen etwa auf den römischen Historiker Plinius zurück. In den Florentiner Boboli-Gärten benannte man einen Brunnen nach ihr, den die Bildhauer Francesco Susini und Francesco del Tadda anfertigten. Sie fanden Nachahmer in Neapel oder Rom.
Den Siegeszug begann die Pflanze eigentlich im Florenz der Frührenaissance. Der Händler Filippo Strozzi importierte sie aus Sizilien und sie galt seither als Zeichen von Reichtum und vornehmer Lebensart. Über die Medici gelang sie dann nach Frankreich und später auch nach England.
Die ganzen Blütenköpfe werden zumeist gebraten, gekocht oder frittiert. Der feine Geschmack der ungewürzten gekochten Artischocke ähnelt dem des Eiweißes eines Spiegeleis. Artischocken werden 20 bis 45 Minuten in Salzwasser mit etwas Zitronensaft gekocht. Die Blätter werden dann abgezupft und der untere Teil mit den Zähnen abgezogen. In der Regel wird dazu eine Vinaigrette gereicht.
Artischocken wird eine appetitanregende, verdauungsförderndende und cholesterinsenkende Wirkung zugeschrieben. Aufgrund unterschiedlicher Wirkmechanismen (vermehrte Ausscheidung von Cholesterin, erhöhter Cholesterinverbrauch zur Gallensäuresynthese als auch Hemmung der Neubildung von Cholesterin in den Leberzellen) soll tatsächlich durch den Verzehr von Artischocken eine Senkung des Gesamtcholesterins um bis zu 12 Prozent möglich sein. Der Artischocke schreibt man zudem eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung gegen Arteriosklerose zu. Der in ihnen enthaltene Butterstoff Cynarin regt den Stoffwechsel von Leber und Galle an.
Apropos: Arrigo Cipriani, der Inhaber der legendären Harry’s Bar in Venedig, hat Teile von der Laguneninsel Torcello gekauft, um nach eigenen Angaben auf die alten Tage just diese Gemüsepflanze anzubauen. Obwohl: Die eigentliche Artischockeninsel in der Lagune ist Sant’ Erasmo, auf der die mittlerweile artgeschützte violette Variante angebaut wird. Man verzehrt sie am besten entweder roh oder frittiert - mit Sardinen oder Gamberetti aus der Lagune. Oder einfach roh mit etwas Zitronensaft.
Rosanna Marziale:
Die neue Botschafterin der Küche des Südens
von Daniele Delle Donne
Rosanna Marziale ist der neue Stern am italienischen Kochhimmel. Eine grazile Power-Frau, die durch ihre Exklusivität und Kreativität besticht. Sie hat das Kochen von der Pike auf gelernt. Erst im „Le Colonne“-Restaurant der Eltern in Caserta. Dann zog sie in die Koch-Welt hinaus. Bei illustren Sterneköchen wie Gianfranco Vissani und Martin Berasategui erhielt sie dann den Feinschliff.
Heute gehört sie selbst zur Gilde der erlesenen Sterne-Köche. Sie schaffte das, indem sie auf Tradition setzte und die typische Gerichte Kampaniens mit großem Erfolg modern und unnachahmlich uminterpretiert. Der Schlüssel ihres Erfolgs sind, wie sie betont, auch die besonderen Zutaten: die örtliche Büffelmilch-Mozzarella, das kampanische Olivenöl und die unvergleichlichen Tomaten. Die Caprese, Pasta-Gerichte und Pizza werden so zu einem besonderen Gaumengenuss und heißen dann „Palla di Pizza“, „Pizza al Contrario“, „Tonkatsu“ oder „Sfera bianca con ripieno rosso“. Meisterlich umgesetzt nach dem klassischen Motto: „Edle Einfalt und stille Größe!“
Inzwischen zelebriert Rosanna Marziale ihre Kochkunst hauptsächlich im elterlichen Restaurant vis-à-vis der berühmten Reggia di Caserta, das sie übernommen hat und nun „Rosanna Marziale Le Colonne“ heißt. Ihre Säulen der Kochkunst gewissermaßen als Gegenpart zur Residenz der Bourbonen-Regenten des Königreichs Beider Sizilien. Das „Klein-Versailles“ baute der niederländische Architekt van Wittelen nordöstlich von Neapel und es zieht jährlich über eine halbe Million Besucher an. Daneben unterhält Rosanna Marziale aber auch das Restaurant San Bartolomeo Casa in Campagna.
Marziales jüngste Kreation ist die „Palla open“. Darin wird eine Mozzarella paniert, frittiert und „geköpft“. Mit einer feinen Soße aus Grana Padano, Pfeffer und Zitronenschalen wird sie dann garniert. Höchst eigenwillig und erfolgreich sind auch ihre Dessert-Variationen. Gleichwohl: „Pasta, Tomaten und Mozzarella sind aber unumwunden mein Lieblingsrezept“, sagt sie.