Das traditionsreiche Café Florian am Markus-Platz, das Floriano Francesconi am 29. Dezember 1720 eröffnete, ist geschlossen und dürfte vor dem 1. April nicht wieder öffnen. Das Café gehört zu den bedeutendsten historischen Cafés des Landes und steht unter Denkmalschutz. Künstler und Literaten aus vielen Ländern, die in Venedig in den letzten 300 Jahren Station machten, ließen sich hier inspirieren. Johann Wolfgang von Goethe inbegriffen. Es hieß damals „Alla Venezia Trionfante“, dem triumphierenden Venedig. Doch die einst mächtigste Seerepublik triumphierte zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr.
Auch die Museen der Stadt werden voraussichtlich bis zum 1. April 2021 geschlossen bleiben.
Auch das kommende Jahr verspricht nichts Gutes. Der Tourismus ingesamt ist im Lande im 2020 um 72% zurückgegangen. 2021 dürfte die Bilanz dieses Wirtschaftssektors ähnlich schlecht ausfallen. Ob sich das Land schnell aus der verheerenden Wirtschaftskrise erholt, hängt aber gerade vom wichtigen Tourismussektor ab.
Das Wasser in Kanälen war sauber wie selten. Fische und andere Meerestiere, ja sogar Delfine tummelten sich über Monate unbekümmert in dem glasklaren Wasser der Lagune. Weit und breit war auch kein Tourist zu sehen. Kurzum: ein Idyll, das die waschechten Venezianer in helle Verzückung versetzte. Doch die gespenstische Ruhe in Venedig, wie die Hoteliers und Kneipiers die Corona-Krise erlebten, neigt sich wohl dem Ende zu. Denn die Lagunenstadt lebt vom Tourismus. Ohne die Touristen ist sie eine Geisterstadt. Rund 80% der Geschäfte auf dem Markus-Platz schicken sich nun mühsam an, die Pforten wieder zu öffnen. Doch die strengen Auflagen machen es auch den Venezianern schwer, zur Normalität zurückzukehren.
Das berühmte Café Florian etwa, in dem schon Goethe abstieg und einen venezianischen Kaffee kostete, hat Schwierigkeiten, die umfangreichen Corona-Auflagen zu erfüllen. Der geforderte Mindestabstand von 1,5 Metern ist kaum einzuhalten. Schon gar nicht in den engen Gassen der Stadt. Einerlei: Es muss weitergehen. Den Anfang machte das Ristorante dei Quadri, indem es zunächst nur das Bistrot eröffnete. Ab dem 18. Juni beginnt dann der Restaurantbetrieb, allerdings werden die Sitzplätze mehr als halbiert. Aber die Venezianer sind dafür bekannt, erfindungsreich zu sein. So wurde prompt der Vorschlag eingebracht, die fehlenden Sitzplätze im Inneren mit weiteren Tischen im Freien, auch auf dem Markus-Platz, zu kompensieren. Die oberste Kulturbehörde, hat inzwischen schon grünes Licht für diesen Vorschlag signalisiert, ohne dass Betreiber für die Nutzung der öffentlichen Plätze zur Kasse gebeten würden. Ohne Weiteres könnten sie auch riesige Sonnenschirme aufbauen. Auch die vielen Kunstkritiker, die normalerweise Zeter und Mordio schreien, scheinen damit einverstanden. Auch in Venedig herrscht seltene Einmütigkeit, was die Überwindung dieser schweren Pandemie angeht.
Das Verhältnis zwischen geltendem Recht und Wirklichkeit ist in Bella Italia bekanntermaßen heikel und diffizil. Beispiel Kreuzfahrtschiffe am Markusplatz. Eigentlich gibt es schon seit 2012 das höchstministerielle Verbot für Schiffe über 40.000 Bruttoregistertonnen, am Markusplatz vorbeizufahren, um durch den Giudecca-Kanal zur jetzigen Anlegestelle am Canale dei Petroli zu gelangen. Schließlich würde die Wellenbewegung der “Monsterschiffe” den Fundamenten der Palazzi unverhältnismäßig arg zusetzen und deren Substanz gefährden. Doch vierhalb Jahre danach schippern die riesigen Kreuzfahrtschiffe weiterhin unbehelligt bis zur Einfahrt des Canal Grande, als sei der ministerielle Erlass nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben wurde. Der Grund? Damit das Verbot greifen kann, muss den Kreuzfahrtschiffen eine Ausweichroute angeboten werden. Daher schlägt Bürgermeister Luigi Brugnaro nun vor, umgehend von der Malamocco-Einfahrt in die Lagune eine neue Fahrrinne an der Isola delle Tresse vorbei auszuheben. Doch darüber tobt mit Regional- und Staatsregierung ein wortreicher Streit. So befürwortet Regionalpräsident Luca Zaia die Lösung, die Kreuzfahrtschiffe nach Marghera zu verbannen. Diesen Vorschlag teilt offenbar auch Transportminister Graziano Delrio.
Aber Regionalpräsident Zaia scheint nun, plötzlich einen Rückzieher zu machen, weil er jüngst süffisant bemerkte: “Wenn man in der Lagune gräbt, kann man sich sehr weh tun!” Er spielte dabei auf die Giftstoffe auf dem Grund der Lagune an, die durch solch umfangreiche Arbeiten kostenaufwendig entsorgt werden müssten. Die Suche nach einer Lösung geht also weiter, während die Kreuzfahrtschiffe weiterhin munter in die Lagune schippern. Auch Kreuzfahrtschiffe mit über 96.000 Bruttoregistertonnen.
Etwas tut sich zumindest dennoch. Die Hafenbehörde hat angefangen, den Dieselkraftstoff der Kreuzfahrtschiffe zu überprüfen, mit dem nicht nur die Generatoren zur Stromerzeugung angefeuert, sondern auch die Luft in Venedig verschmutzt wird. Weil der Schwefelgehalt des Diesels unzulässig hoch war, brummte letztes Jahr die Capitaneria di Porto der Reederei Costa Crociere eine Geldstrafe in Höhe von 30.000€ auf. Ein Tropfen auf den heißen Stein der heftigen Bürgerproteste.
von Daniele Delle Donne
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Deltalandschaft am Festland so unberührt und einzigartig, dass sie kühne Industrieträume zu ungeahntem Leben erweckte. Die sich im Fortschrittswahn befindenden Unternehmer Venedigs hatten auch die „geniale Idee“, in dem Feuchtgebiet eine immense Hafenanlage aus dem Boden zu stampfen, die in ihrer Hochzeit mehreren zehntausend Menschen Arbeit gab. Marghera war geboren, und heißt übersetzt „dort, wo das Meer war“. Volpi und Cini hießen einige der Industriekapitäne, die sich später auch als hervorragende Kunstmäzene für Film und Kunst hervortaten. Daneben entstand nach dem 2. Weltkrieg eine gigantische petrochemische Anlage, die dem Boden soviel Grundwasser entnahm, dass die Gebäude in Venedig ins Bodenlose abzusacken begannen. Aber damit nicht genug. Um der Lagune weiteren Boden für neue Industrieansiedlungen abzutrotzen, wurden die anfallenden Giftabfälle gewissermaßen als Baugrund für neue Chemiekomplexe benutzt. Diese entsorgten ihre Giftabfälle ihrerseits häufig in der Lagune, gleich nebenan. Die Zeitbombe war damit scharf. Die Millionen von Kubikmetern Giftmüll werden nun seit Jahrzehnten durch das Gezeitenspiel erodiert und in der Lagune verteilt, die auch für die Fischzucht genutzt wird. Marghera wurde zum Synonym für Tod und Umweltzerstörung.
Um die tickende Zeitbombe zu entschärfen, haben die Regierung in Rom, die Region Veneto und die Stadt Venedig nun ein erstes Giftmüllentsorgungsprogramm verabschiedet. Schon vor mehr als einem Jahr eigentlich. Ausgabenvolumen vorerst: 153 Millionen Euro. 103 Millionen Euro sollte der Staat zuschießen, die restlichen 50 Millionen Euro würden die Region und die Stadt aufbringen. Doch nach einem Jahr tut sich noch immer nichts oder so gut wie nichts. Die jetzt in Marghera arbeitenden rund 11.000 Menschen hofften zwar, dass die Nachhaltigkeit der Aktion ihre Arbeitsplätze retten würde. Doch die Maßnahme droht, wie die vielen der Vergangenheit sich in Schall und Rauch aufzulösen. Denn es ist nicht viel passiert. Es hieß, die Arbeiten seien durch den Skandal um die mobilen Schleusen „Mose“ verzögert worden; andererseits habe es auf kommunaler Ebene Neuwahlen gegeben, die ebenfalls zu Verzögerungen geführt hätten.
Nun heißt es, die ersten Arbeiten würden definitiv im kommenden April beginnen. Die Leitung der Arbeiten obliegt dem staatlichen Energieunternehmen ENI. Im deren Mittelpunkt stehen nicht nur die sachgerechte Entsorgung des Giftmülls, sondern auch die Ansiedlung neuer, umweltfreundlicher Unternehmen. Die Sanierung Margheras sei vordringlich und unaufschiebbar, ist nun der Tenor. Man darf gespannt sein, wie wörtlich man es in Venedig mit der Zeit nimmt.
Aber die Kritik an der Ponte della Costituzione verebbte nicht. Denn alsbald hieß es, das viele Glas an den Stufenabsätzen sei bei Regen und Raureif lebensgefährlich, weil man schnell ausrutschen und sich den Hals brechen könne, auch ohne Gehbehinderung. Und außerdem seien die jeweiligen Stufen so niedrig, dass sie beim Besteigen einen Balanceakt erforderten. Jetzt im strengen Winter, wo auch in Venedig Minusgrade erreicht werden können, sickerte die letzte Unzulänglichkeit durch. Auf der Brücke, besonders auf den Glasstufen bilde sich nämlich heimtückisches Eis, was nicht mindergefährlich ist als Regen und Raureif. Während man aber auf den anderen 400 Brücken Venedigs dem Eis mit Streusalz zu Leibe rücke, ist das auf der Ponte della Costituzione nur bedingt möglich. Denn es heißt, man könne das Salz nur auf die Steinstufen aus istrischem Stein in der Mitte der Brücke streuen. Auf den stylischen Glasstufen an den Seiten links und rechts hingegen sei das aber nicht möglich, weil das aggressive Salz das kostbare Glas angreife. Wenn es morgens, abends und nachts gefriert, müssten also Venezianer und Touristen auf der Ponte della Costituzione penibel darauf achten, nur Steinstufen unter den Füßen zu haben, weil man ansonsten schnell das Gleichgewicht verlieren könne. Baldige Abhilfe scheint für dieses Problem aber nicht in Sicht. Einige schlagen sogar vor, die Glasstufen zur Winterszeit mit den in der Stadt gegen das Hochwasser üblichen „Passerelle“ zu versehen, um die Rutschgefahr zu minimieren. Das ewige Dilemma eben zwischen Schönheit und Funktionalität.
von Daniele Delle Donne
Der Löwe von San Marco oder einfach der geflügelte Löwe: Er ist das Symbol schlechthin für die Serenissima. Er ist aber auch das ungewöhnliche Abbild des Evangelisten Markus, dessen Gebeine pfiffige venezianische Händler 828 heimlich vom ägyptischen Alexandrien nach Venedig schmuggelten - versteckt in einem Korb unter Gemüse und Schweinefleisch. In der Markuskirche aufbewahrt hält der Schutzpatron seit nunmehr knapp 12 Jahrhunderten seine schützende Hand über die Stadt. Die christlichen Taten des aus Palästina stammenden Evangelisten waren übrigens so famos, dass er sowohl von Katholiken als auch von Orthodoxen und Koppten gleichermaßen als Heiliger verehrt wird. Traditionsgemäß am 25. April gedenken die Gläubigen Venedigs dieses Heiligen.
Auf dem Markusplatz thront der geflügelte Löwe unter anderem über den Säulen von „Marco e Todaro“. Jüngste Studien haben ergeben, dass das Werk (Beutekunst?) aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist, aber es fehlt hier sein typisches Schwert.
Die Löwendarstellung vereinigt in sich gleichermaßen vier Lebewesen: einen Löwen, ein Kalb, einen Menschen und schließlich einen Adler, so wie es Ezechiel im Alten Testament ausführt. Diese vier Lebewesen stehen nach der Offenbarung des Johannes um den Thron Gottes. Markus wird dem Löwen zugeordnet, er muss aber aber Teile des Adlers in sich haben. Das erklärt nämlich auch, warum der Löwe Flügel hat. Nach biblischem Glauben wird der Heilige Markus mit einem Löwen assoziiert, weil sein Evangelium mit den Versuchungen Christi in der Wüste beginnt.
Erst ab 1177 waltet der geflügelte Löwe auf Standarten offiziell seiner symbolischen Kraft. Und seitdem tritt er in einer Vielzahl von Abbildungen in Erscheinung: mal mit Gesichtern nach links, mal nach rechts. Mal liegend, mal springend oder mit aufgestelltem Schwanz. Und vielfach legt er seine Tatze auf ein Buch, das von einigen als das Evangelium interpretiert wird. Andere tendieren hingegen dazu, das Buch als Gesetzesfibel zu interpretieren, die zum Ausdruck bringen soll, dass in dieser Stadt das Recht und die Religion innig vereint ist. Manchmal hält der Löwe aber auch ein Schwert - als Zeichen des Krieges und hat seine Hintertatzen im Meer, um zu belegen, dass der Reichtum Venedigs auf dem Meer begründet ist. Auf den Münzen Dalmatiens und Albaniens prangte übrigens der geflügelte Löwe mit einem Olivenzweig, auf dem Peloponnes hingegen mal mit einem Kreuz und mal mit einer Palme. Auf den Standarten erlebte der Löwe im Zuge der Jahrhunderte eine wahre Renaissance.
Die wohl wichtigste Abbildung des geflügelten Löwen thront im Palazzo Ducale über der Scala dei Giganti. Sie ist seit dem Jahr 1300 das Symbol Venedigs und wird dem Bildhauer Luigi Borro zugeschrieben. Der ätzende Smog der letzten Jahrzehnte hat der Skulptur aber so arg zugesetzt, dass ein Flügel abzubrechen drohte. Eine Restaurierung ist also jetzt unvermeidlich.