Italien aktuell
Kunst, Kultur und Aktuelles

Ausstellungshighlights des Jahres  2023

von Susanne Bloss, Venedig

1. Perugino in Perugia


2023 jährt sich der 500. Todestag von  Perugino, in dessen Werkstatt auch der große Raphael in die Lehre ging. Vom  4. März bis  zum 11. Juni   2023 widmet die    Galleria Nazionale dell’Umbria von  Perugia  Pietro Vannucci,  genannt  Perugino, eine große Ausstellung. Der Titel der Schau lautet  „Il meglio maestro d’Italia“. Zu sehen sind über 70 Meisterwerke, die der umbrische  Maler auf dem Höhepunkt seines Erfolgs   bis 1504  malte.

2. El  Greco und Goya am Palazzo Reale in Mailand

El Greco und Goya widmet der Palazzo Reale in Mailand eine umfangreiche Werksschau. El Greco macht den Anfang vom  13.  Oktober  bis zum 4.  Februar  2024. Dabei steht seine italienische Zeit zwischen Rom und Venedig  im Fokus, die seiner Malerei eine entscheidende Wende gab.    Fast zeitgleich zeigt das Mailänder Museum  vom 31. Oktober 2023 bis zum 3. März 2024 Werke von  Francisco Goya, die seinen wechselvollen Werdegang aufzeigen.

3. Marcel Duchamp in der Peggy Guggenheim-Kollektion

Marcel Duchamp  schärfte in Paris Peggy Guggenheims Sinn für die moderne Kunst und seine Werke wurden folgerichtig auch ein wichtiger Bestandteil ihrer Sammlung.   Vom 14. Oktober  2023  bis zum  18. März  2024  zeigt das Museum am Canal Grande seine Werke um das Meisterwerk  Boîte-en-valise in einem neuen Licht. Dazu gesellen sich wichtige Leihgaben aus großen italienischen und  amerikanischen Museen sowie Privatsammlungen.

4. Die Renaissance in Ferrara im Palazzo dei Diamanti 

Ercole de’ Roberti, Dittico Bentivoglio (Giovanni II e Ginevra Bentivoglio), 1473 74, Washington, National Gallery of Art, Samuel H. Kress Collection
Über 100 Meisterwerke aus den wichtigsten Museen der Welt bilden hier vom 18. Februar bis zum 19. Juni 2023 ein einzigartiges Ensemble, aus dem sich Ferraras Bedeutung für die Renaissance-Kunst erschließt.  Im Mittelpunkt  der Ausstellung stehen insbesondere  die Meister aus Ferrara  Ercole de’ Roberti e Lorenzo Costa, die  im Konzert der großen Renaissance-Künstler fast untergingen.

5. Roms antike Gesellschaft in den Musei Capitolini   


La Roma della Repubblica. Il racconto dell’archeologia. Musei Capitolini
Diese Ausstellung zeigt die Veränderungen der  antiken römischen Gesellschaft, in der die Republik als höchste  Staatsform  gepriesen wurde.  Vom 13. Januar bis zum 24. September werden  in den Sälen des Palazzo Caffarelli  unter dem Titel „La Roma della Repubblica“   1800 archäologische  Exponate zu sehen sein,  die normalerweise in den Kellern des Antiquariums aufbewahrt werden.

6. Renoir und Italien im Palazzo Roverella 

Im Palazzo Roverella, in Rovigo nahe Padua wird vom 25. Februar bis zum 25. Juni 2023 eine Ausstellung Pierre Auguste Renoirs  Verhältnis zu Italien und den italienischen Meistern beleuchten. Während seiner italienischen Reise setzte sich der französische Impressionist intensiv mit den Meistern der  italienischen Renaissance auseinander und  fand so zu einer neuen, revolutionierenden  Bildsprache.

7. Raphael und Palladio im Museum von Vicenza  

Der 1520 unter mysteriösen Umständen verstorbene Raphael, der bis zu seinem Tod  als Chefarchitekt den Bau des Petersdoms leitete, hatte in Andrea Palladio aus Vicenza einen eifrigen  Nachahmer.   Eine Ausstellung, die  das Palladio Museum von Vicenza vom  6.  April bis zum 9. Juli 2023 zeigt, beleuchtet unter dem Titel „Nella mente di Raffaello“ den Einfluss, den Raphael auf Palladio hatte.

8. Die Barberini, der Papstthron und die Kunst

Anlässlich der 400jährigen Wahl zum Papst von   Urbano VIII Barberini zeigen  die  Gallerie Nazionali di Arte Antica von  Rom  von März bis Juli 2023  die außergewöhnliche Rolle dieser Familie in der Barockkunst Roms, in der Caravaggio, Bernini und Poussin  unnachahmliche Akteure waren.  Viele Kunstwerke, die später in alle Welt verkauft wurden, sind dann hier erstmalig im Zusammenhang zu sehen.

9. Die Pinault Collection und Palazzo Grassi

Im  venezianischen Palazzo Grassi, das einst die FIAT-Gruppe von Gae Aulenti zu einem Museum umbauen ließ, zeigt seit geraumer Zeit  Francois Pinault  neben der Punta della Dogana   seine einzigartige Sammlung moderner Kunst. Vom  12.  März  bis zum  7. Januar  2024  400 Werke der Photographie des 20. Jahrhunderts. Vom  2. April  bis zum 26. November  2023  zeigt die Schau Icônes  eine Auswahl aus der Pinault Collection, in der es zum  einzigartigen Dialog zwischen Künstlern wie    David Hammons/Agnes Martin,  Danh Vo/Rudolf Stingel und Sherrie Levine/On Kawara kommt.

10. Endlich wieder Architektur-Biennale

Vom 20. Mai bis zum 26. November 2023  eröffnet wieder die  Architektur-Biennale di Venezia ihre Pforten.  Kuratiert wird die 18. Architektur-Biennale von der Architektin Lesley Lokko, die den Fokus auf den afrikanischen Kontinent lenkt.

11. Elend und Aristokratie von Giacomo Ceruti

„Miseria e Nobiltà. Giacomo Ceruti nell’Europa del Settecento“, mit dieser Ausstellung  huldigt die diesjährige italienische Kulturhauptstadt Brescia einem großen lombardischen Maler. Ab dem  14. Februar  sind im Museo di Santa Giulia über 100 Werke   nicht nur von Giacomo Ceruti, sondern auch von zeitgenössischen Malern wie  Moroni, Bellotti, Monsù, Todeschini oder  Ribera zu sehen.  Ab dem 18. Juli 2023   wird die Ausstellung im amerikanischen  J. Paul Getty Museum zu sehen sein.  


Gottvaters 700. Todestag


Von Vincenzo Delle Donne, Forlì


Dante Alighieri gilt als der übermächtige  Vater der italienischen Sprache und Literatur. Der Florentiner  war  Dichter, Philosoph und  Politiker. Mit seiner grandiosen Göttlichen Komödie  prägte  er   wie kaum ein anderer die Literatur, das  Denken und Ästhetik des Abendlandes. Mit großem kunsthistorischen Sachverstand  gedachte man im Museo San Domenico von Forlì dem großen Nationaldichter, dessen 700. Todestag sich im kommenden  September jährt.   Eine außergewöhnliche  Ausstellung  zeigte Dantes großen Einfluss auf die Kunst: von  der Renaissance bis hin  ins 20. Jahrhundert. 300 Exponate, die von  Gianfranco Brunelli und dem Deutschen Eike Schmidt sorgfältig ausgesucht wurden,  zeigten eindringlich,  wie groß der  Einfluss  Dantes auf die nachfolgenden Kunstepochen war.  

Dante war der Fixstern der Renaissance, insbesondere der florentinischen Renaissancekünstler Sandro Botticelli und Michelangelo Buonarroti, die die klassische Antike  zu neuem Leben erweckten.  Seine letzten 20 Lebensjahre musste Dante  im Exil verbringen. Vor 700 Jahren starb er  in Ravenna, wo er auch begraben liegt.  

Sein  Engagement als florentinischer Politiker und Papst-Gegner  wurde Dante  zum Verhängnis. Er musste den Rest seines Lebens  im  Exil verbringen, d. h. außerhalb von Florenz.  Zumeist in Verona und später in Ravenna.  Wie sah Dante überhaupt aus?  Nach seinem florentinischen Landsmann Giovanni Boccaccio war er klein, hatte ein längliches Gesicht und eine  Adlernase. Doch an diesem Bild, das durch die gesamte Kunstgeschichte geistert,  gibt es begründete Zweifel. 

Wegen seiner deklarierten Feindschaft zum Papst hatte ihn seine Heimatstadt Florenz 1302 zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt.  Dante war damals 37 Jahre alt. Darüber hinaus verfügte es die Zerstörung seines Wohnhauses. 

Das Versepos  Göttliche Komödie war Dantes  Meisterwerk. Er verfasste es  im  florentinischen Volgare,  der Umgangssprache der  Gebildeten   und  nicht im klassischen Latein, wie in seiner Zeit noch üblich war.  Damit setzte er das Florentinische als italienische Nationalsprache durch.   Darin  unternimmt Dante eine Zeitreise von der Antike bis zu seiner Zeit und prägte maßgeblich  das Weltbild des Abendlandes.  Michelangelo setzte Dante mit seinem  Jüngsten  Gericht in der Sixtinische Kappelle in Rom ein unvergängliches Denkmal. 

Dantes bezirzende Muse war  die unerreichbar schöne  Beatrice.  Seine tiefe platonische Liebe zu ihr besang er in unzähligen Formen und propagierte damit ein neues liebreizendes Frauenbild in der Dichtung und der Literatur.   

Dantes Vorstellung von Hölle, Fegefeuer und Paradies setzte Michelangelo meisterlich um.  Der Meister selbst sah sich übrigens im Purgatorio, im Fegefeuer.   





Ein besonderes Highlight am Ende der Schau  war   Michelangelos berühmte Pietà, die  er nach den neuplatonischen Prinzipien 1503 fertig stellte.  Michelangelo erntete  dafür auch Kritik, weil er die Madonna so jung wie Jesus darstellte.  Hier sehen wir eine Gipskopie aus den Vatikanischen Museen. 



 







Raphaels 500. Todestag 

 von Vincenzo Delle Donne, Rom

Ein halbes Jahrtausend nach dem Tod  eines großen Künstlers will normalerweise gebührend begangen werden: Am 2. April 2019  betraf es Leonardo da Vinci,  dem Vater der Renaissance-Kunst, der durch sein Wirken folgende Künstlergenerationen maßgeblich beeinflusste; am 6. April 2020 jährte sich der Todestag vom göttlichen Raphael, der viel zu früh verstarb. 

Doch beide Renaissance-Künstler hatten auch 500 Jahre nach ihrem Tod  großes Pech.  Denn der Corona-Virus vermasselte eine entsprechende museale Würdigung ihres Schaffens. Leonardo da Vincis Ausstellung im Louvre, in der die 14 Gemälde gezeigt wurden, die ihm eindeutig zuzuweisen sind,  wurde im Schlussspurt notgedrungen abgewürgt. Nicht genug, dass sein Todestag in Italien aus bekanntem Unvermögen  fast gänzlich unterging.  

Raphaels grandiose Schau in den Scuderie del Quirinale in Rom hingegen musste kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen werden.  Tröstlich war, dass die einzigartige Schau  verlängert wurde.   Ab Oktober eröffnet eine Ausstellung in der römischen Villa Farnesina die Pforten, die ein bisschen Wiedergutmachung leistet.  

Wem es  partout nicht vergönnt ist, nach Rom zu kommen, sei dieser Buchtipp in eigener  Sache  empfohlen, der das Leben und die Beziehung der Beiden kurz, bündig und interessant nachzeichnet. 

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Tintoretto: Rebell und Malergenie 

 von Vincenzo Delle Donne, Venedig

Tintoretto, übersetzt Färberlein, wie er  abschätzig genannt wurde,  war  ein Autodidakt und nach dem florentinischen Künstlerbiographen Vasari  “leidenschaftlich”,  “schrecklich” und  verfügte  über einen unbändigen Willen.  Sein wahrer Name war  Jacopo Robusti und er orientierte sich an Michelangelo, Raphael und Giulio Romano. Den Spitznamen  erhielt er, weil sein Vater Stofffärber in der Lagunenstadt  war. Meisterlich konnte er  in seinen Bildern mit der Perspektive und dem Licht umgehen und schaffte Werke voller Bewegung, Dramatik  und  Widerspruch.    Die  Musei Civici di Venezia und die National Gallery of Art di Washington feiern  nun mit hinreißenden Ausstellungen  den   500. Geburtstag  des Künstlers, der neben  Tiziano, Giorgione  und  Veronese  nicht nur die Malerszene  in Venedig, sondern  auch die  Spätrenaissance in Italien und in Europa beeinflusste. 

Tintorettos Werdegang war nicht einfach, zumal die Konkurrenz in der Lagunenstadt  hauptsächlich durch die Malerwerkstatt Tizians groß war. Er setzte sich aber  insbesondere in der Portraitkunst reicher Venezianer durch, wo er  zu wahrer Größe auflief.  Von strahlender Schönheit ist beispielsweise sein Selbstportrait aus dem Jahr 1546/1547, das durch ein revolutionäres Hell-Dunkel-Spiel hervorsticht. Die kirchlichen Auftraggeber kritisierten ihn oft, er führe seine Werke zu schnell aus.  Das kümmerte ihn aber wenig.  Um an Aufträge zu kommen, war er sogar bereit, seine Werke unter Preis zu verkaufen. Nach Tizians Tod  schaffte er  dann endgültig den großen Durchbruch und wurde zum gefragtesten  Maler, der Kirchen und Paläste mit seinen großformatigen Bildern verschönte.  

Rund 70 Bilder aus aller Welt sind nun im Dogenpalast zu sehen. Werke seiner Frühphase sind hingegen in den Gallerie dell’Accademia zu sehen.  Komplettiert wird die Riesenschau mit den Werken in  der Scuola Grande di San Rocco, in der  Curia Patriarcalesowie in zahlreichen Kirchen Venedigs, wo Tintorettos Werke noch heute hängen und von der einstigen Pracht der Serenissima zeugen. 

Die wahren Highlights der Ausstellung hängen aber im Dogenpalast. Da kann man  zum Beispiel die  strahlende „Susanna im Bade“ bewundern, die sich  im Wohlgefallen der eigenen natürlichen Schönheit und Jugendlichkeit vor den  Augen von voyeuristischen Alten entblößt und badet. Faszinierend ist auch das Gemälde “Tarquinio e Lucrezia”, das die Vergewaltigung Lucrezias durch den Sohn des Königs   Tarquinius zeigt. Sie wird  dezent durch den Riss der Perlenkette angedeutet.  Tarquinius  wird durch diese Schandtat  Lucrezia in den  Selbstmord treiben.  Gerade an diesen beiden Bildern zeigt sich, welch enormer Einfluss Michelangelos neoplatonische Körperlichkeitsempfinden auf Tintoretto ausübte. Tintoretto war ein wahrer Meister darin, die Dunkeltöne und die verschiedenen Schwarzabstufungen abzubilden und den schmalen Grat zwischen Hell und Dunkel umzusetzen.  Gerade mit dieser Technik hat er  selbst herausragende Vertreter der Barockmalerei wie Caravaggio, Carracci, Bernini oder Borromini entscheidend beeinflusst. 




16. Architektur-Biennale: Nachdenken Freiräume der Architektur

 von Susanne  Delle Donne

Die  16. Mostra Internazionale di Architettura  della Biennale di Venezia, die am 26. Mai 2018  in der Lagunenstadt beginnt,   trägt den Titel  FREESPACE und wird vom Architekten-Duo    Yvonne Farrell und  Shelley McNamara kuratiert.   Im Mittelpunkt der internationalen Schau steht also das Nachdenken über die freien Räume der Architektur, in denen der heutige Mensch zu leben gezwungen ist oder einfach leben  will.  

Yvonne Farrells und  Shelley McNamaras Biennale-Konzeption  basiert eigentlich auf dem Manifest   FREESPACE, das sie im Juni 2017 verkündeten. Es habe sich als ein solides Grundinstrument erwiesen, erklärten sie bei der  jüngsten Vorstellung der Mostra, um eine so große Ausstellung thematisch zu orientieren.  An der  Mostra FREESPACE, die üblicherweise  im  Padiglione Centrale ai Giardini  und am  Arsenale stattfindet, nehmen insgesamt    71 Länder teil.  Daneben gibt es zwei Sondersektionen: An der ersten unter dem Titel Close Encounter, meetings with remarkable projects beteiligen sich  weitere 16 Teilnehmer, die  bekannte Projekte der Vergangenheit kritisch reflektieren;   in der  Sektion The Practice of Teaching  präsentieren  indes  13 Teilnehmer Projekte, die von den jeweiligen Architekturschulen entwickelt wurden.

Eingebung und Kreativität im Großen und Kleinen soll also im Vordergrund stehen, und dafür werden  zahlreiche Projekte präsentiert: historische Gebäude, die von Archiktekten zu neuem Leben erweckt wurden;  neue Modelle des Wohnens sowie notwendige Infrastrukturmaßnahmen des öffentlichen Lebens.  Ein besonderes Augenmerk gilt darüber hinaus der “Lehre” der Architektur, die auf ihre Grundveraussetzungen hinterfragt werden soll.  “Als wir unser Manifest FREESPACE verfassten, wollten wir hauptsächlich, dass das Wort Raum darin vorkam”, bekräftigten  die Kuratorinnen.  Sie wollten damit auch zu einem Nachdenken über alte  Begrifflichkeiten  in einem neuen Kontext beitragen, damit “die Ziele, die Wünsche und Generösität der Architektur” klar würden. Man darf auf die Schau gespannt sein.

 

 

Juristisches Possenspiel  um die neuen  Museum-Direktoren 

von Gianluca  Delle Donne

Der unvorstellbare Kulturreichtum Italiens liegt eigentlich seit Urzeiten  brach, weil er weder entsprechend gewürdigt  noch ökonomisch adäquat  verwaltet wird. Das musste nach dem deklarierten Willen der letzten Renzi-Regierung, die daraus ein Aushängeschild machte,  unbedingt abgestellt werden. Deshalb ging Kulturminister Dario Franceschini bei der Ernennung von insgesamt 20 neuen Museumsdirektoren  2015   neue, kühne  Wege. Nach der Verabschiedung eines neuen Autonomiegesetzes   ließ er nämlich  die Besetzung der nationalen Museen-Tempel international ausschreiben.  Auch drei deutsche Aspiranten  dankten es ihm.  So ging  die Leitung der  weltberühmten Uffizien an Eike Schmidt, an  Cecilie Hollberg die florentinische Galleria dell’Accademia, und der  junge Archäologe Gabriel Zuchtriegel wurde  für den   berühmten archäologischen Park von Paestum auserwählt. Aber damit nicht genug.  Das   neapolitanische  Museo di Capodimonte   ging an den Franzosen Sylvain Bellenger,   die Pinacoteca di Brera  an den Briten kanadischen Ursprungs James Bradburne und für die Galleria Nazionale delle Marche den Österreicher Peter Aufreiter.  7 von 20 Stellen gingen also an ausländische Bewerber, was die italienischen Konkurrenten auf die Barrikaden trieb.    Jetzt hat aber das Verwaltungsgericht der  Region Latium, in dessen Kompetenzbereich die ministerielle Ernennung der neuen Museumsdirektoren   fällt, 5 der Ernennungen für  Taranto, Neapel, Reggio Calabria, Mantua und Modena für ungültig erklärt. Italienische Konkurrenten hatten das Verwaltungsgericht wegen der offensichtlichen Formfehler beim Auswahlverfahren angerufen,  weil sie meinten, dass ihre Veröffentlichungen nicht entsprechend berücksichtigt worden seien.  

Schmidt und Hollberg betrifft die Annullierung nicht. Auch Gabriel Zuchtriegel in Paestum konnte sich übrigens  gerade noch retten, weil der Widerspruch gegen seine Ernennung nicht fristgerecht  eingereicht wurde. Die Begründung des Gerichtes war übrigens relativ eindeutig: Neben der undurchsichtigen Auswahlkriterien,  der mangelnden Transparenz bei der Zuteilung von Bewertungspunkten  und der nicht öffentlichen mündlichen Prüfung  hatte der Minister in seinem Reformeifer schlichtweg vergessen, einen  wichtigen Passus aus dem alten Gesetz zu streichen. Dieser besagt nämlich, dass Direktoren-Stellen nur mit  Italienern besetzt werden dürfen.  Und die oben genannten Kandidaten sind eben  allesamt Ausländer im Sinne des Gesetzes.

Minister Franceschini sprach derweil von einer „Schande vor den Augen der Weltöffentlichkeit“ und hat nun angekündigt,  die Entscheidung des römischen Verwaltungsgerichts  vor dem obersten Verwaltungsgericht anzufechten.  Zudem  musste er auch die übrigen Museumsdirektoren beruhigen, die zwar nicht vor dem Gerichtsurteil betroffen, aber trotzdem in heller Aufregung sind.   Denn unabhängig vom Verwaltungsgericht könnte bald auch der oberste Rechnungshof die  Ernennungen aller ausländischen Museumsdirektoren  aufgrund des evidenten Formfehlers im Gesetz  für null und nichtig erklären. Die Folgen wären für sie desaströs.  Denn  sie wären nicht nur ihren Job los, sondern müssten  auch die seit 2015 erhaltenen Bezüge zurückerstatten.  Ein ganz schöner Schlamassel.


57. Biennale von Venedig: Kunst und Leben

von Susanne Delle Donne

Christine Macel wollte wohl in allen erdenklichen Formen  zeigen, dass die zeitgenössische Kunst  lebt und dass sie auch hochleben lassen.  Den roten Faden gibt sie höchstpersönlich vor.  Ihre  Schau der Weltkunst „Viva Arte Viva“, so wie sie zusammengestellt hat, habe  sich eindeutig  am Humanismus inspiriert, bekennt  die französische Kuratorin   der 57. Kunst-Biennale von Venedig freimütig. Humanismus? Nicht im klassischen Sinne natürlich. Und schon gar nicht  einer, der, wie man meinen könnte,   einfach den Menschen in den Mittelpunkt stellt.  Vielmehr  intendiert  Macel  einen „Humanismus“, in dem sich  der Mensch durch die Kunst  von allen Zwängen seiner Welt  entledigt.  „Es ist ein Humanismus, in dem der künstlerische Schaffensprozess gleichzeitig ein Akt des Widerstandes, der Befreiung und der Großzügigkeit ist“, sagt sie.   Schließlich sei gerade heute die Kunst sozusagen die letzte Bastion und Freiheit  des modernen Menschen,  der in der Kunst zum Mahner und Unkenrufer würde. Macels griffige Quintessenz: „Viva Arte Viva ist eine Biennale mit den Künstlern, von den Künstlern und für die Künstler!“ Schöne Formulierung.

Gleichwohl  kommt Macels  Humanismus-Verständnis  ohne eine gewisse Zahlsymbolik nicht aus. Denn sie  hat die Biennale, die irgendwie einem bunt- schrillen Jahrmarkt ähnelt,  in neun Kapitel unterteilt – oder besser  in neun „Kunstfamilien“.  Zwei werden dann im Padiglione Centrale in den  Giardini ausgestellt, die anderen 7 hingegen im Arsenale und in den Giardini delle Vergini.  Daneben gibt es die 86 nationalen Pavillons, die die jeweiligen Länder verantworten.  Insgesamt 120 Künstler aus 51 Ländern nehmen an der diesjährigen Biennale  teil. Von diesen sind 103 zum ersten Mal dabei.  Und überall ereifert man sich Performance-Kunst darzubieten, Musik und Töne inklusive, als müsse man den Kunstgenuss auch sinnlich und hörbar machen.

Folgerichtig  ist  demnach, dass die  deutsche  Künstlerin Anne Imhof   den Goldenen Löwen für ihre „faustische“  Performance zugesprochen wurde:   sechs  Dobermann-Hunde,  an die NS-Diktatur verweisend,   bewachen in einem Zwinger  just   das  frisch  restaurierte Germania-Gebäude auf dem Giardini-Areal.  Nach dem Gebäude-Durchbruch des letzten Jahres auf der Architektur-Biennale, der die Öffnung Deutschlands repräsentieren sollte, wurden jetzt im  Innern Gitter eingezogen, ein zweiter Boden aus Stahl und Glasplatten sowie Nischen an den Wänden angebracht. Die ideale Bühne im Grunde  für die zeitgenössische faustisch-deutsche Interpretation von sechs jungen Künstlern  und gleichzeitig auch ein  Symbol für ein großes, reiches, mächtiges Deutschland, das sich vom Rest der Welt abschottet.   Die Parallelen zur Gegenwart sind verstörend und aktuell.

Als bester Künstler wurde ein weiterer Deutscher ausgezeichnet: Franz Erhard Walther.  Der 78jährige  macht aus Formen, Farben und Stoffe ein Gesamtkunstwerk.    Ein  jünger,   zuweilen in Berlin lebender Künstler wurde von der Jury für sein Talent ausgezeichnet. Der 1986 im Kosovo geborene Künstler Petrit Halilaj, der die Geschichte des Kosovo eindringlich mit seinen Kindheitserinnerungen und Schöpfung verwebt.

Der Goldene Löwe für das Lebenswerk ging indes an die amerikanische Künstlerin Carolee Schneemann: eine  Pionierin der feministischen   Performance und Body Art.  Schon Anfang der Sechziger Jahre entdeckte sie ihren Körper als wichtigste Ausdrucksform ihrer Kunst und befreite gewissermaßen die Frau vom Klischee des Sexobjektes, indem sie  sich beispielsweise  beim Sex mit ihren Partner filmte.


Janine von Thüngens Skulpturen in Palladios   Malcontenta-Villa

 

von  Vincenzo Delle Donne

 

Janine von Thüngen lebt und arbeitet  seit nunmehr 17 Jahren an der Via Appia  in Rom. Zuvor suchte die deutsche Bildhauerin   in Antwerpen, New York, Moskau und Paris nach ihrem eigenen  Stil in der schrillen und schnelllebigen  Kunstwelt. Doch erst in der Ewigen Stadt kam ihr gewissermaßen die richtige  Eingebung. Hier  entstand nämlich  die  Idee für Bronzeplastiken, die  höchst eigenwillig gewissermaßen Zeit und Raum verbinden und überwinden. Und der Ort der  besonderen Eingebung  hätte nicht mythischer und geschichtsträchtiger sein können: die sagenumwobenen  römischen Katakomben, die durch die Christenverfolgungen zu unrühmlicher Berühmtheit gelangten.  

Von Thüngen  beschloss nämlich,   Abdrücke der  durch Menschenhand über Jahrhunderte und Jahrtausende geformte  Oberflächenstrukturen in unterirdischen Kulturräumen  zu nehmen, und erhielt so Plastiken mit einem doppelten  Gesicht. Dorthin, wo sich Menschen und Verfolgte zurückzogen, um den Widrigkeiten des Lebens zu trotzen oder einfach um Schutz vor Verfolgung zu  suchen, waren Lebensräume der besonderen Art entstanden.  

Zeit und Raum erhalten so durch die Arbeit von Janine von Thüngen ein neuartiges, modernes  Gesicht. Zeitgleich zur Kunst-Biennale von Venedig  werden ihre  Skulpturen nun in den Gärten von Andrea Palladios prächtiger Renaissance-Villa Foscari-Malcontenta präsentiert und treten in einen besonderen Dialog zur klassischen Licht- und Architektur-Komposition des berühmten Renaissance-Architekten aus Vicenza. Unter dem Titel Eternity I und  II können die mächtigen  Skulpturen, deren Komposition der renommierte Kunsthistoriker Bruno Corà kuratierte,  bis zum 27. Oktober 2017 besichtigt werden.

Aus den Spuren der  Untiefen des Menschen und seiner gestalteten unterirdischen Räume schuf  von Thüngen so übermächtige Bronzeskulpturen, die spiralförmig angeordnet  auch die sattgrünen Gärten  der Palladio-Villa ausfüllen.  “Sie interpretieren  nicht  nur plastisch neu  und ästhetisch originell die ewige Frage  von Vergangenheit und Gegenwart, sondern treten  auch  poetisch in  einen  fruchtbaren  Dialog  mit demjenigen, der die Renaissance-Architektur maßgeblich prägte”, sagt Bruno Corà.




Art Déco: die italienische Kunst des Schönen und Vergänglichen

von Susanne Delle Donne

Art Déco heißt die italienische Folgeströmung des  Jugendstils der Wiener Sezession. Auch er ist ähnlich verspielt, mondän und sinnlich und hat die Kunst der Zwanziger Jahre maßgeblich geprägt. Seine Künstler gaben sich nach der dramatischen Erfahrung des Ersten Weltkrieg dem Schönen und Vergänglichen hin.  Eine sehenswerte Ausstellung in den Musei di San Domenico in Forlì zeigt hauptsächlich  die italienische Seite  dieser Kunstströmung, die nennenswerte Ableger auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Spanien  hatte.

Was modern und schön war, änderte sich mit der Art Déco radikal. Die Linien wurden fließend, serpentinartig und der Natur symbolistisch nachgebildet; überhaupt wurden in der Natur die Gesetzmäßigkeiten des Universums ausgemacht, die in der Kunst zum neuen Stil  erhoben wurden.  Im Gefolge des italienischen  Futurismus kam die Art Déco erst richtig mit der Pariser Weltausstellung im Jahr 1925 auf, die den Arts Décoratifs gewidmet war. In Italien wurde dieser neue Stil zur allbeherrschenden Formsprache erhoben: ob in der bildenden Kunst, der Skulptur oder in der Werbung und in dem  Industriedesign.  Kinosäle, Bahnhöfe, Theater, Ozeandampfer  oder Bürgerhäuser wurden nach seinen Schönheitsideal gebaut.

Aber auch Malerei und Bildhauerei ahmten die neue Kunst nach und trieben sie zur Meisterschaft: angefangen bei den Beleuchtungsanlagen Zecchins und  Veninis bis hin zu den prächtigen Keramiken  von  Gio Ponti  und Guido Andlovitz und den Skulpturen  von  Adolfo Wildt, Arturo Martini und  Libero Andreotti. Nicht unerwähnt bleiben sollten die  extravaganten Möbel- und Stoffkreationen von   Buzzi, Ponti, Portaluppi und  Fortuny. In vielen Werken wird die Frau einerseits als Muse, andererseits als erotisches Rätsel  zelebriert, die aber gleichzeitig ein neues, fast feministisches Selbstverständnis reklamiert. 


Giambattista Tiepolo: Wo alles begann

von Gianluca Delle Donne 


Giovanni Battista Tiepolo  (1696 - 1770) war  ein  famoser  venezianischen Malerfürst  zwischen dem Barock und dem Rokoko,  als die einst so  strahlende Seerepublik  kurz vor dem Untergang stand.   Und  wie kaum ein anderer  liebte er es, theatralisch Heldenepen, Historien, Opernszenen, Götterfesten und auch Altäre darzustellen. Seine unverwechselbare Handschrift: Er bereicherte die Motive mit  einer Vielzahl von Putten  und Amoretten. 

An die  Malkunst wurde   Tiepolo zunächst von  seinem Onkel herangeführt, doch   erst sein Lehrer Gregorio Lazzarini  entzündete seine Passion und brachte ihm die Finessen der Kunst bei, weshalb er  schon bald  seine eigene Malwerkstatt in Venedig eröffnete.  Sein erstes großes Meisterwerk  gelang ihm  jedoch in Udine, wo ihn der Patriarch Daniele Delfin mit der Ausschmückung des Bischofspalastes beauftragte.  Gerade diese Freskenarbeiten machten  ihn  schlagartig über die Grenzen Venedigs und Italiens bekannt - auch in Deutschland.  Damit avancierte  Giovanni Battista Tiepolo zum  bedeutendsten italienischen Maler seiner Zeit.  Die Arbeiten in der Würzburger Residenz gelten dabei als Hauptwerk Tiepolos.   Im Treppenhaus zeigen die Fresken die vier Erdteile. Im Kaisersaal bildet er  die Hochzeit von Friedrich Barbarossa  und  Beatrix von Burgund, sowie die Belehnung des Fürstbischofs  mit den Rechten eines Reichsfürsten ab. Insgesamt bilden die Würzburger Fresken ein sagenhaftes erdumspannendes Staatsgemälde.

Tiepolos Gesamtwerk, der sich  immer auf einem schmalen Grat zwischen Sakralem und Profanem bewegt,    lässt sich in fünf Schaffensphasen unterteilen. Die erste umfasst das Schaffen  in Venedig und Udine.  Es folgten  die erste Reifezeit  in Bergamo, Mailand   und anderen Städten. In der  dritten  Phase, die als    klassischen Blüte  bezeichnet  wird,   schuf er die Werke in Würzburg, am Palazzo Labia in Venedig und der Villa Valmarana ai nani bei Vicenza.     Die letzten zwei Phasen  umfassen hingegen  die Alterswerke  in Venedig und in Madrid, wo er  schließlich  auch starb. 

     

Tiepolo verwendete bis her noch nie dagewesene Farbnuancen, mit denen er überdimensionale Räume plastisch machte. Außergewöhnlich war auch seine Technik der Perspektive, die er mit hellen und chromatischen Tupfer erreichte.

Il Rinascimento in Arezzo 


 

Der Quattrocento und der Cinquecento, das 15. und 16. Jahrhundert waren für die toskanische  Kunst Ausnahmejahrhunderte, in denen einzigartige Meisterwerke geschaffen wurden. Wenn von der italienischen Renaissance und dem “goldenen Quattrocento und Cinquecento” die Rede ist, dann konzentriert sich allerdings das Augenmerk hauptsächlich auf Florenz. Anderen Städten wie das nahe Arezzo wird kunsthistorisch eher eine Statistenrolle zugewiesen. Zu Unrecht. Dem Wirken der Renaissance-Künstler aus Arezzo und Umgebung werden  nun interessante Bücher  gewidmet, die die Rolle von Künstlern wie Beato Angelico, Piero della Francesca, Bartolomeo della Gatta, Luca Signorelli, Donatello, Neri di Bicci, Michele da Firenze, Andrea della Robbia, Sansovino, Filippo Lippi ins rechte Licht rücken.  

 

Zu sehen sind die Werke vielfach in den Kirchen und Kappellen, für die sie einst geschaffen wurden, und zwar neben dem Museo Nazionale di Arezzo, in der Fraternità dei Laici, dem Museo Diocesano, der Chiesa di San Francesco. An der Val di Chiana sind dann die weiteren Ausstellungsorte wie das Museo della Pieve di S. Giuliano und die Pinacoteca Comunale, in Lucignano das Museo Comunale und in Cortona sind dann die Accademia Etrusca und das Museo Diocesano.