Italien aktuell
Kunst, Kultur und Aktuelles



Ist ihr Mann, mit dem Sie seit über 20 Jahren leben  und sich über die Opern-Musik kennengelernt haben, gewissermaßen Ihre "Faustina"?


Nein, wir haben so eine Lebens-, Liebe- und Arbeitsgemeinschaft, die sehr stabil begründet ist. Aber von „faustinischen Abenteuern“ keine Rede.


Goethe wurde in seiner Italiensehnsucht gewissermaßen von den Werken von Johann Joachim Winckelmann inspiriert. Von wem oder was wurden Sie in Ihrer Italien-Liebe inspiriert,  angesteckt? Literarisch gesprochen.


Ich war von vielen italienischen Autoren angetan: von Italo Svevo, dann natürlich von Natalia Ginzburg und Massimo Silone, für dessen Brot und Wein ich ein Vorwort geschrieben habe. Da gibt es so viele: Alberto Moravia und dessen frühere Frau Elsa Morante. Giorgio  Manganelli und natürlich Tomasi di Lampedusa.  Ich habe ganz viele italienische Literatur gelesen. Zum Teil auf Italienisch, um es zu lernen, aber letztlich habe ich Italien am besten über seine Musik verstanden: über die Opern, aber vor allem über die cantautori: also Paolo Conte, Lucio Dalla oder Totò Cotugno. Sie erklären einem Italien, und zwar über die Mafia, aber genauso über die Liebe, die Zerstörung genauso wie das Schöne, die Nudeln und Leidenschaft. Die singen über alles. Und dann hat man Italien im Griff, wenn man ihre Lieder hört.


Sie veröffentlichen im selben Verlag wie Roberto Saviano: beim Hansa-Verlag.  Aber Saviano gehörte nicht zur offiziellen italienischen Delegation auf der Buchmesse.


Das war dumm und das ist diese blöde Angst. Gott sei Dank kam  er trotzdem, weil der Verlag ihn eingeladen hat. Er ist ein ganz wichtiger Mann, der diese Mafia-Verflechtungen aufzeigt und dafür fast mit seinem Leben bezahlt, ständig bewacht werden muss und immer in Gefahr ist. Was sich jetzt in Italien tut und dass ganz langsam die Demokratie ausgehebelt wird und nach rechts rückt, erfüllt mich mit großer Sorge. Ich war neulich in Bologna, und an dem Tag kam Salvini und hielt da eine Rede. Und ich sah Bologneser Hausfrauen in Schürzen durch die Straßen gehen. Mit Plakaten, auf denen stand: meno Salvini, più tortellini (weniger Salvini, mehr Tortellini). Das fand ich sehr schön.


Was halten  Sie vom  Gastauftritt Italiens auf der Buchmesse?


Ich finde es schön, dass Italien nach 1988 wieder Gastland auf der Buchmesse war. Ich war sehr eng befreundet mit Inge Feltrinelli und war oft in Mailand in ihrem Verlag. Aber ich habe es noch nicht gesehen. Ein Freund sagte, der italienische Pavillon sei so tot wie ein Mausoleum. Da sei gar kein Leben gewesen.


Übrigens passt es ins Bild der faschistischen Geschichtsrevision der Meloni-Regierung, dass auf dem offiziellen Messe-Plakat mit dem Motto „Zurück in die Zukunft“ die typisch  faschistischen  Buchstabentypen aufgenommen wurden! Hat aber noch keiner richtig bemerkt!


Ach, ist mir gar nicht aufgefallen! Wahnsinn!  Da passiert eine ganz ungute Sache: Eine kleine blonde Frau, die nicht unsympathisch ist, macht mit harter Hand eine Rückkehr in eine Zeit, von der wir dachten, wir hätten sie lange überwunden. Das ist nicht nur in Italien so. Das ist in Ungarn so. Das ist überall so. In den Niederlanden, aber auch in Deutschland mit der AfD. Das sind Strukturen, die ich überhaupt nicht begreife. Wir leben in einem demokratischen, gefestigten und paradiesischen Europa, wenn wir uns den erst der Welt angucken, und diese Idioten zetteln etwas an, was zu großen Flächenbränden führen kann. Ich finde das empörend und entsetzlich! Und dass mein Land dabei mitmacht, bricht mir das Herz.


Alle meine deutschen Freundinnen haben die Zeitschrift "Brigitte" gelesen und schmachteten förmlich nach Ihrer  Kolumne.


Ja, ich habe 17 Jahre für die Brigitte eine Kolumne geschrieben, und zwar ganz einfach, aus dem normalen Frauenleben  die Dinge mit Frechheit zu sehen. Mir fehlt heute Mut und Frechheit. Wenn ich eine Kolumne hätte, ich würde wahrscheinlich rundumschlagen. Und den Shitstorm, der dabei entstehen würde, könnte ich gut vertragen. Aber es gibt solche Kolumnen nicht mehr, weil das Internet ganze Landschaften, auch die politische, gravierend verändert hat. Wenn jeder Depp seine dumme Meinung im Internet vor Tausenden von Leuten sagen darf, ist das für mich nicht Meinungsfreiheit. Das ist Verblödung.


Sie gehören zu den  Bestsellerautoren in Deutschland.  Was ist Ihr Erfolgsrezept?


Ich habe kein Rezept. Ich schreibe so authentisch und ehrlich wie möglich. Das macht mir Freude. Ich liebe meine Arbeit. Und wenn es dann den Erfolg hat, sage ich dann: Ja, geschafft! Aber ich lege es nicht darauf an.


Und keine kann  so begnadet wie Sie, Leichtes und Schweres miteinander  verbinden.


Ja, ich weiß. Ich habe ein Talent, aber ich weiß nicht, woher es herkommt. Ich habe es nicht geübt, ich habe nichts damit gemacht. Es ist eine Gabe wie schöne Haare oder schöne Augen. Ich kann es einfach und das macht mir Freude.


Vom  sogenannten offiziellen Literaturbetrieb werden  Ihre Werke ein bisschen links liegen gelassen.


Eigentlich nicht. Ich habe viele Jahre die Büchersendung Lesen hatte und dann haben sie sich sehr um mich bemüht.


Zuletzt  wurde aber Ihr aktueller Bestseller  "Altern"  in der Literatursendung "Druckfrisch" verrissen!


Das macht mir gar nichts aus. Denn Denis Scheck ist ein kleines wichtigtuendes Männlein, der um Mitternacht eine Sendung macht, die kaum jemand sieht. Der schwäbisch spricht, nicht einmal Hochdeutsch. Von dem ich nie einen gescheiten Satz in irgendeiner Zeitung gelesen habe.  Wenn der mein Buch nicht mag, ist es eigentlich unwichtig.


In einem Beitrag, in dem es um Neapel ging, nannte er die neapolitanische Camorra Mafia!


Der kann nichts. Der haut es in die Tonne, und das ist der Punkt, der mich ärgert. Ob er das Buch gut findet oder nicht, ist mir völlig egal. Aber man haut nicht ein Buch, das eine Auflage von über 500.000 hat,  einfach in die Tonne!  Denn damit haut man 500.000 Leser als unmündig in die Tonne, und das ist im Grunde eine Unverschämtheit.  Aber Denis Scheck ist in diesem ganzen Literaturbetrieb so unwichtig, dass alle nur darüber lachen.


Auch die deutsche Demokratie steckt in einer tiefen Krise.


Der Gedanke Demokratie hat sich nicht so richtig durchgesetzt. Die Leute wissen nicht mehr, was sie damit haben,  und gefährden sie. Ich finde das sehr trostlos und schlimm. Da hat man wahrscheinlich lange Zeit Fehler gemacht, aber ich bin kein Politiker. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo und wie das angefangen hat. Ich sehe nur überall viele meckernde Unzufriedene, die sich dann auf so eine Seite schlagen. Aber das ist falsch.


Einige Intellektuellen meinen, sie sei das Produkt  einer gescheiterten deutschen Wiedervereinigung?


Ich finde die Wiedervereinigung richtig, vernünftig und gut. Auch nach 40 Jahren. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist auch klar. Dass sich viele benachteiligt fühlen, die 40 Jahre in einem anderen System gelebt haben und deren ganze Lebensgeschichte jetzt obsolet wird, ist auch klar. Aber anscheinend sind da so große Versäumnisse entstanden, dass sich diese Unzufriedenheit derart breit macht. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, wie man es ändert.  Ich kann nur entsetzt davon Notiz nehmen.


Es überrascht auch, dass die Intellektuellen darüber weitgehend schweigen.


Eigentlich nicht. Jeder schreibt was, aber es nutzt nichts. Aber die AfD-Wähler lesen nicht, was die Intellektuellen schreiben.  Das interessiert die gar nicht.  D. h., wir haben zwei Gruppen. Deutschland ist gespalten. Aber gucken Sie doch nach Amerika. Wie kann es sein, dass ein riesiges Land wie Amerika zur Hälfte einen solchen Vollidioten unterstützt und wählen will wie Donald Trump? Ein Mann, der Frauen an die Pussy fasst.  Ein Mann, der notorisch lügt. Ein Wichtigtuer, ein aufgeblähtes Arschlosch,  und halb Amerika will ihn wählen. Können Sie mir das erklären? Nein!  Das kann ich genauso wenig verstehen wie hier die AfD. Ich verstehe es nicht, aber ich kann nichts daran ändern. Ich kann nur selber anders wählen.


Aber man muss doch etwas dagegen tun können?


Man muss lesen, aufklären, aufklärerisch wirken. Im Kleinen versuche ich das mit meinen Büchern und Geschichten ja auch. Mehr kann ich nicht tun.


Kunst-Biennale Venedig: Am Puls der Zeit
von Vincenzo Delle Donne, Venedig


Die 60. Internationale Kunstausstellung von Venedig mit dem Titel Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere, kuratiert vom Brasilianer Adriano Pedrosa, hat  ihre Pforten in den Giardini und im Arsenale eröffnet. Der Titel „Foreigners Everywhere“ ist aktueller denn je und stammt aus einer Reihe von Werken, die das in Paris entstandene und in Palermo ansässige Kollektiv Claire Fontaine seit 2004 geschaffen hat. Diese Werke bestehen aus Neonskulpturen in verschiedenen Farben, die die Worte „Foreigners Everywhere“ in verschiedenen Sprachen tragen. Pate für den Titel der weltgrößten Schau für moderne Kunst stand   das  gleichnamige Turiner Künstlerkollektiv, das Anfang der 2000er Jahre in Italien gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kämpfte.
Die  Biennale d’Arte moderna 2024, die ab dem  20. April für die Öffentlichkeit zugänglich ist,  versteht sich ausdrücklich als ein Forum  für junge  Künstler. „Der Titel  Ausländer überall“,  erklärt Adriano Pedrosa, „hat mehr als eine Bedeutung. Erstens bedeutet er, dass Sie, wo immer Sie auch hingehen und wo Sie sind, immer auf Ausländer stoßen werden: Sie sind/wir sind überall. Zweitens, dass man unabhängig von seinem Aufenthaltsort im Grunde immer ein echter Ausländer ist“.
Die Ausstellung lenkt ein besonderes Auge  auf die Produktion weiterer verwandter Themen: z. B.  auch auf die  queeren Künstler, die  sich innerhalb unterschiedlicher Sexualitäten und Geschlechter bewegen  und oft verfolgt oder verboten werden.  Daneben richtet sich das Augenmerk  aber auch auf die Außenseiterrolle der Künstler, die sich am Rande des Kunstbetriebs bewegen oder  auch auch auf die stillen Protagonisten der  sogenannten Volks- oder Populärkunst.  Die Kunst  dieser vier Themenbereiche bildet den   Mittelpunkt dieser Ausgabe.
In den  Corderie gibt es auch einen speziellen Bereich, der dem Disobedience Archive gewidmet ist, einem Projekt von Marco Scotini, der seit 2005 ein Videoarchiv entwickelt, das sich auf die Beziehungen zwischen künstlerischen Praktiken und Aktivismus konzentriert. Der „historische Kern“ der Schau  besteht jedoch aus Werken des 20. Jahrhunderts aus Lateinamerika, Afrika, Asien und der arabischen Welt. Über globale Modernismen und jene des Südens der Welt ist viel geschrieben worden. Auf der diesjährigen Kunstbiennale  werden ihre  wichtigsten   Werke  ausgestellt.  Wie in einem  Essay, einem Entwurf,  hypothetisch und experimentell. Dabei zielt alles  darauf ab, die  Grenzen und Definitionen moderner Kunst zu definieren, die über den sogenannten Modernismus Europas hinausgeht.
Im Fokus steht auch  die Diaspora italienischer Künstler, die zwar ihrem Land den Rücken kehrten,  aber  in den USA, in  Afrika, Asien, Lateinamerika oder  Europa doch noch  ihren Durchbruch schafften. Allesamt Künstler, die oft eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung der Erzählungen der Moderne außerhalb Italiens spielten.
An der venezianischen Kunstschau  beteiligen sich insgesamt  88 Länder  nicht nur  in den historischen Pavillons in den Giardini und im Arsenale, sondern auch  in vielen Palazzi  der Altstadt Venedigs.  Erstmalig  sind vier afrikanische Länder auf der Kunst-Biennale vertreten: die Republik Benin, Äthiopien, die Demokratische Republik Timor-Leste und die Vereinigte Republik Tansania. Nicaragua, die Republik Panama und Senegal präsentieren  sich hingegen zum  ersten Mal einen  eigenen Pavillon. Der von Ruth Patir gestaltete  israelische Pavillon bleibt aus Protest gegen den Gaza-Krieg. Solange kein Waffenstillstand erfolge und  die   israelischen Geiseln in den Händen der Hamas nicht freigelassen würden, bliebe der Pavillon  geschlossen, sagte die Künstlerin.  

Ausstellung im Dogenpalast zu Marco Polos 700. Todestag

Von Vincenzo Delle Donne, Venedig

Wer war Marco Polo? Ein Reisender, ein Schriftsteller, ein Botschafter oder ein Präfekt am Hofe des großen und gefürchteten chinesischen Großkahns? Ein illustrer Händler, der einer venezianischen Patrizier-Familie angehörte? Oder war er vielleicht nichts von alledem und doch nur ein Hochstapler und Hasardeur, der eine unglaubliche Reise erfand, die ihm ein bescheidenes Vermögen und einen Platz in den Annalen der Geschichte einbrachte? Benutzte er womöglich Vorlagen anderer Abenteurer für seine Darstellung der Reise, die ihn angeblich über Anatolien, Armenien, Bagdad, Persien, die Wüste Gobi, den Gelben Fluss bis nach Khanbaliq, wie das antike Peking  damals hieß, führte und insgesamt dreieinhalb Jahre dauerte?  Eine Ausstellung im Dogenpalast von Venedig, die am 6. April  eröffnet wurde bis zum 30. September 2024 läuft, bringt wenig Licht in dessen biographische Dunkelheit.
Marco Polo ist jedenfalls durch die Jahrhunderte zur Ikone und zum Mythos für das geniale Händlervolk der Venezianer geworden, das keine Grenzen kannte und sich um des Handels Willen in damals unbekannte Gebiete und Sphären vorwagte.
Marco Polo wurde am 15. September 1254 geboren und starb am 8. Januar 1324. Durch die Reisebeschreibung Der Milione, dessen erste Ausgabe um 1298 erschien und eine wahrhaft enzyklopädische geographische Sammlung  über das Asien des 13. Jahrhunderts darstellte, wurde er überhaupt erst berühmt. Zurück in Venedig selbst führte der Präfekt des Großkhans ein relativ unbewegtes  Leben. Waren   die  Beschreibungen seiner Reise nach China, die er zumeist zu Fuß zurücklegte, nur erfunden oder war er tatsächlich dort gewesen? Unter Historikern häufen sich die Stimmen derer, die behaupten, dass Marco Polo selbst gar nicht in China gewesen sei. Aufgeschrieben  hatte seine sagenhafte Reise nämlich ausgerechnet ein bekannter toskanischer Mithäftling  Marco Polos, der ein Fable für Ritterepen hatte. Er hieß Rustichello da Pisa und schrieb die erste Fassung auf Altfranzösisch. Weitere Ausgaben erschienen dann auf Lateinisch, Venezianisch und in anderen Sprachen. Mit der ersten lateinischen Übersetzung des Mönchs Francesco Pipino begann eine ungeahnte Verbreitung in ganz Europa. Il Milione wurde so zu einer wertvollen Quelle nicht nur über die Routen des Ostens, sondern auch über ihren Glauben und die praktizierten Religionen. Für die Dominikanermönche, die große Missionare und Reisende waren, wurde das Buch zur unerlässlichen Pflichtlektüre. In Venedig hatte Marco Polo tatsächlich den Spitznamen Milione, was aber dort eher Hochstapler oder Märchenerzähler  bedeutete. Seine Suche nach Gewürzen, prächtigen Seidenstoffen, Gold, Edelsteinen und Elfenbein trieb ihn immer wieder an und ließ ihn unüberwindliche Hürden nehmen.
Laut der Aufzeichnung Il Milione brach er mit 17 auf, um mit seinem Vater Niccolò und seinem  Onkel Matteo auf der Seidenstraße nach China zu gelangen. Sein Vater und sein Onkel, die geschäftliche Beziehungen zu Konstantinopel unterhielten und die  als besonders tüchtige und unerschrockene Edelsteinhändler ihren Unterhalt verdienten, waren 1260 schon einmal nach China aufgebrochen und auch dort angekommen. Bei deren  Abreise habe der Großkahn sie beauftragt, dem Papst eine Botschaft zu überbringen. Er möge ihm geweihtes Öl vom Jesus-Grab in Jerusalem zukommen lassen sowie etwa einhundert christliche Gelehrte, so der Großkahn, um das Evangelium unter seinen Untertanen zu verbreiten. Drei Goldtafeln, die ihnen der chinesische Herrscher geschenkt habe, dienten dann als Beweis für die erste China-Reise des Vaters und des Onkels.
1271 brachen die Gebrüder Polo erneut nach China auf, um die Forderung des Großkhans zu erfüllen. Diesmal nahmen sie zudem den jungen Marco mit. Sie hatten den päpstlichen Auftrag, den Großkhan nicht nur zum Christentum zu bekehren, sondern ihn auch als Bündnispartner gegen die Muslime zu gewinnen. Am Hofe des chinesischen Großkhans wurde Marco Polo, der dort zum Präfekten ernannt wurde, dann sein enger Berater und kehrte schließlich erst 1295 nach Venedig zurück - nach 24 Jahren.
Die Aufnahme Marco Polos  in seiner Heimatstadt erfolgte trotz dieser einzigartigen Reise jedoch mehr oder weniger unspektakulär. Polos Spuren verloren sich überraschend, bis er für die Truppen der Seerepublik rekrutiert wurde. 1296 wurde er bei einer Seeschlacht gegen die Flotte der Seerepublik Genua in der Nähe der dalmatinischen Insel Korčula im Adriatischen Meer, bei der Venedig eine herbe Niederlage erlitt und der Doge daraufhin Selbstmord beging, gefangen genommen und in Genua eingekerkert. Der glückliche Zufall wollte es, dass Marco Polo dann im Kerker den Toskaner Rustichello da Pisa traf, dem er von seiner Reise nach China erzählte. Dieser war davon so begeistert, dass er Marco Polos Reisebeschreibungen aufschrieb: zunächst in Altfranzösisch unter dem Titel Divisiment dou monde. Unter Il Milione erlangte das Kompendium, das das gesamte Wissen über Asien am Ende des 13. Jahrhunderts  beinhaltete,  beinahe literarische Bedeutung.
Auch wenn Marco Polo nicht der erste war, der nach China gereist war, ist ihm zumindest eine detaillierte Reisebeschreibung zu verdanken, die es vor seiner Zeit so nicht gab. Sie inspirierte Generationen von Reiseabenteuern, nicht zuletzt auch Christophorus Columbus und lieferte wichtige Erkenntnisse zur Kartographie des Westens. Vor dem ersten Druck gab es mindestens 150 verschiedene Abschriften.Nach der Erfindung des Buchdrucks gehörte das Werk zu den am meisten kopierten und veröffentlichten Büchern. Columbus begleitetet eine Abschrift des Reiseberichts Il Milione auf seiner Suche nach der Seeroute nach Indien, die ihn dann zur Entdeckung Amerikas führte. Mit eigenen Anmerkungen hatte Columbus Polos Werk ergänzt. Heute wird dieses Exemplar in einem Museum in Sevilla aufbewahrt.
Nach seinem Gefängnisaufenthalt und der Veröffentlichung des Buches lebte der große China-Reisende Marco Polo in Venedig jedoch ein recht unspektakuläres Leben. Er heiratete, bekam drei Töchter und wohnte im Stadtteil Cannaregio. Kurz vor seinem Tod 1324 verfügte er die Freilassung seines mongolischen Sklaven Pietro Tartarino, dessen italianisierten Nachnamen man auch mit “der kleine Tatar” übersetzen könnte.
Marco Polo und Rustichello da Pisa: Benutzte das ungleiche Duo, das die Kerker der Genueser zusammengeführt hatte, gar eine Vorlage, die bereits in den Händen des Vatikans oder der Domenikanermönche war? Vielfach ist in der Forschung in Frage gestellt worden, ob Marco Polo überhaupt in China gewesen sei. Es existieren keinerlei Beweise, die dies zweifelsfrei belegen könnten. Weder wird Marco Polo in chinesischen Dokumenten erwähnt, noch können andere stichhaltige Quellen seinen Aufenthalt bestätigen. 1995 behauptete die Historikerin und Kuratorin der chinesischen Sammlung der British Library, Frances Wood, Marco Polo habe seinen Bericht aufgrund von Quellen anderer China-Reisender verfasst. Als Beweis führte sie seine mangelhafte Beschreibung der chinesischen Kultur an und auch, dass Polo mit keinem Wort die Chinesische Mauer erwähnte. Gegen diese These spricht allerdings Marco Polos genaue Beschreibung des chinesischen Salzmonopols sowie des Papiergeldsystems der Yuan-Dynastie.
Auf Marco Polos Aufzeichnungen bauten jedenfalls die ersten kartographischen Abbildungen der damals bekannten Welt auf. So entstand die erste Weltkarte von Paolino Veneto um das Jahr 1320, die er in der Chronologia Magna zeichnete, und die des Mönchs Fra’ Mauro, die um das Jahr 1460 erschien und in der er mit relativer Genauigkeit die geographischen Verhältnisse in Asien wiedergab. Neueste Archiv-Funde belegen nun, dass Marco Polo nach seiner Rückkehr 1298 aus Genua sich daran machte, die erste Version seiner von Rustichello da Pisa aufgeschriebenen Reisebeschreibungen zu überarbeiten. Das tat er zusammen mit den Dominikanermönchen des Klosters SS. Giovanni e Paolo.
In seinem in der Marciana-Bibliothek von Venedig gefundenen Testament vermachte Marco Polo  überdies sein Vermögen sowohl seiner Ehefrau Donata als auch seinen drei Töchtern Fantina, Bellela und Moreta. Besonders aufschlussreich ist die Liste des Nachlasses, den Marco Polo seiner erstgeborenen Tochter Fantina vermachte. Viele Wertobjekte wie Bernsteinknöpfe, Stoffe mit eingewebtem Gold, Seidengewänder, orientalische Pferdezügel, diverse Goldstücke, und ein Goldtäfelchen, das die mongolischen Reiter als Passierschein benutzten, Rubine, Jade und Türkise, reich mit Edelsteinen und perlenverzierte Vasen Einrichtungsgegenstände aus Silber und Gold, sowie zwei Handelsverträge. Gerade diese orientalischen Wertgegenstände sind für Experten der Beweis für Marco Polos phantastische Reise nach China.


(Auszug aus „Venedig - Liebe, Leid und Laster“ von Vincenzo Delle Donne )



Venedig: Weihnachtskonzert im Markus-Dom


von Vincenzo Delle Donne, Venedig 

 

Es gibt Orte, deren  Aura sie zu einzigartigen Musiktempel prädestiniert.  Der Markus-Dom mit seinen seit jahrhundertealten  strahlenden Mosaiken gehört sicherlich dazu. Alle Jahre wieder organisiert  das Teatro La Fenice  in dieser prächtigen  Stätte  des Christentums in Zusammenarbeit mit der Procuratoria di San Marco im Markus-Dom ein Weihnachtskonzert der besonderen Art. Zum Musikgenuss gesellt sich der Augenschmaus einer hell  erleuchteten Basilika, in der die dargestellten Bibelszenen wie selten  ihre gesamte Pracht entfalten.  Normalerweise ist der Chor der  Cappella Marciana der uneingeschränkte Protagonist dieses Konzertes.   In diesem Jahr wurde das wohl älteste und berühmteste Musikensemble der Welt, das auf das Jahr  1316 zurückgeht, indes  von der  Schweizer Schola Cantorum Basiliensis unterstützt. Sie ist zwar im Vergleich zur Marciana relativ   jung. Gleichwohl hat sie sich unterdessen  über die Grenzen der Schweiz hinaus einen anerkannten Namen als Ausbildungsort für Alte Musik gemacht hat.  Inzwischen arbeitet die von Paul Sacher gegründete Schule sowohl mit der Musikschule Basel als auch mit der Hochschule für Musik Basel zusammen.
Im Mittelpunkt  des venezianischen Weihnachtskonzertes, das Marco Gemmani dirigierte, standen virtuose  Werke von Claudio Monteverdi, die zu seinen  bedeutendsten gehören und  die er  unter dem Namen Selva morale e spirituale zusammenfasste. Auch wegen  Kompositionen  wie Beatus vir primo und Sancta Maria erhielt er den Beinamen „göttlich“. Monteverdi komponierte sie in seinen letzten Lebensjahren und widmete sie einst der herzoglichen Eleonora Gonzaga aus Mantua. Die Sammlung umfasst  insgesamt  vierzig Kompositionen, im Konzert wurden sieben  präsentiert.  Von besonderer Schönheit sind die fünf moralischen Madrigale. Virtuose  gesangliche Interpretinnen  der Cappella Marciana waren Maria Chiara Ardolino, Caterina Chiarcos sowie Maria Clara Maitztegui.  Ergänzt wurden Monteverdi Kompositionen darüber hinaus   von  sakralen Stücken   Biagio Marinis und Alessandro Grandis.  Marini, Violinist und Komponist aus Brescia, den es ebenfalls nach Venedig zog, war eine Zeit lang Schüler  Monteverdis. Er gehörte zu den Bedeutendsten Komponisten von  Instrumentalmusik und wirkte fast  dreißig Jahre lang nördlich der Alpen.  Der Sizilianer  Grandi, der 1630 mit seiner Familien der großen Pestepidemie zum Opfer fiel,  übte hingegen mit seinen sakralen und profanen Kompositionen großen Einfluss auf kommende Komponistengenerationen aus. Er war es beispielsweise, der  den Begriff „Kantate“ erfand.  Insbesondere bei diesen Kompositionen kamen die alten Instrumente  der Schola Cantorum Basiliensis wie die Cornetti-Instrumente von Frithjof  Smith und Martin Bolterauer oder die Renaissance-Posaunen  von Catherine Modus, Bernd Abele, Flavio Pannacci und Masafumi Sakomoto  voll zur Geltung. Eine insgesamt erhebender Abend, der vom Publikum mit rauschendem Applaus honoriert  wurde.



 

Il Discobolo, der Diskuswerfer:

Wieder  Zankapfel zwischen Deutschland und Italien 


von Vincenzo Delle Donne, Rom


 

„Was hatte es mit dem  Discobolo,  dem Diskuswerfer  auf sich?“ fragte ich Antonio Paolucci, der sich zunächst irritiert zeigte und dann prompt erwiderte: „1938 kaufte Hitler die  antike Marmorstatue, die eine Kopie vom griechischen Bronzeoriginal war, dem römischen Fürsten Massimo Lancelotti ab. Er sollte dann eine der wichtigsten Propaganda-Skulpturen des III. Reichs werden. Nicht nur  gegen diesen Verkauf  legte schon damals der  faschistische Minister Giuseppe Bottai sein Veto ein, aber ohne Erfolg.“

„Aber wenn diese Skulptur regulär gekaufte wurde, warum sollte es dann Beutekunst sein?“ Paolucci zuckte die Schulter  und schwieg einige Sekunden. „Es ist so, als würde ich einen Vertrag mit Ihnen abschließen, während  ich eine Pistole auf Sie gerichtet hielte!“ sagte er und geriet  in Zorn.

Nach einer kurzen Überlegung holte er  dann wieder aus: „Gute Frage, die ich aber ganz leicht beantworten kann! Denn nach den im Faschismus geltenden Gesetzen hätte diese Skulptur gar nicht verkauft werden dürfen. Auf Betreiben des damaligen faschistischen nationalen Erziehungsministers Giuseppe Bottai wurde schon 1938 ein Gesetz verabschiedet, wonach Kunstwerke nationalen Ranges nicht ins Ausland  verkauft werden durften. Namhafte Kunsthistoriker wie Giulio Carlo Argan und Cesare Brandi halfen Bottai, eine entsprechende Liste von nationalen Kulturgütern zu erstellen. Die Leda mit dem Schwan, die der Leonardo-Werkstatt zugeschrieben wird,  aber auch der Diskuswerfer gehörten dazu.“
„Und warum setzte sich Mussolini über dieses Verbot hinweg?“
„Sagen wir: Er wollte sich mit dem Gemälde bei Hitler einschmeicheln, er wollte es sich mit seinem übermächtigen Freund nicht verderben! Aber er wusste auch nicht, dass die Skulptur teuer verkauft worden war. Schließlich handelte es sich um einen Privatverkauf!“
„Übrigens: Wissen Sie wer den Kauf vermittelte?“ fragte Paolucci.
„Nein, helfen Sie mir auf die Sprünge, Herr Minister!“
„Ein deutscher Prinz und gleichzeitig der Schwiegersohn des italienischen Königs Viktor Emmanuel III.!“
Es sagte dies, als sei die Person weltbekannt, aber ich konnte zunächst damit nichts anfangen. Unbehagen machte sich jetzt bei mir breit. Langsam begann es,  für mich peinlich zu werden. Aber ich wusste einfach nicht,  wen er meinte.
„Geben Sie mir noch einen Hinweis, Herr Professor!“ bat ich.
„Das war der Ehemann von Mafalda von Savoyen! Philipp Prinz von Hessen, den sie 1925 heiratete und mit dem sie dann vier Kinder bekam.“
„Sie meinen die Mafalda, die 1944  im deutschen Konzentrationslager  Buchenwald gestorben ist?“
„Ja, und dabei war dieser Prinz Philipp von Hessen  ein Nazi der ersten Stunde! Er war der einzige Deutsche, der immer Zutritt zu  den Arbeitszimmern Hitlers hatte!“
Später sei bekannt geworden, dass er  auch Beziehungen zu Männern hatte, davor habe die deutsche Botschaft in Rom das italienische Königshaus vor der Heirat mit Mafalda sogar gewarnt. 
„Wie kam  der Diskuswerfer dann wieder nach Italien?“ lenkte ich das Gespräch wieder in die vorgegebene Bahn.
„Rodolfo Siviero, der der Delegation für das Auffinden und die Rückgabe von in Italien während des Krieges verschwunden Kunstwerken und Büchern angehörte, entdeckte das Werk im Münchner Central Collecting Point für Kunst und erreichte nach zähen Verhandlungen 1948 dessen Auslieferung nach Italien.“
In den Uffizien  lagerten  viele Kunstwerke,   die in den Wirren des Krieges erbeutet und dann wieder aufgefunden worden waren. 1984 wurden diese Werke unter dem Titel „Verschwundene und wieder aufgefundene Meisterwerke“ für kurze Zeit im Palazzo Vecchio ausgestellt. Danach verschwanden sie  wieder in dem dunklen Gemäldefundus.
Jetzt wurde die Konversation um einen weiteren Aspekt erweitert. Zu sehr hatte mich interessiert, was sich kurz vor Kriegsende in  einer toskanischen Ritterburg abgespielt hatte: Hinter vorgehaltener Hand sprach man von einem beispiellosen Kunstraub durch deutsche SS- und Wehrmachtstruppen. Schauplatz: Castello di Poppi in Casentino. Hier waren die kostbarsten Exponate aus florentinischen Museen ausgelagert  worden, um sie vor Raub und Zerstörung  hinter etlichen Sicherheitstüren und einer Mauer zu schützen: einzigartige Skulpturen, kostbare  Gemälde und antike Möbelstücke.

Am 22. August 1944, um 20 Uhr, klopften ein Hauptmann der deutschen Wehrmacht, ein Leutnant und ein Hauptfeldwebel der 305. Infanteriedivision, die damals unter dem Kommando vom General der Artillerie Friedrich-Wilhelm Hauck stand, unter einem Vorwand am Schlosstor. Sie  verlangten Einlass, um  das Schloss angeblich nach Waffen und Munition zu durchsuchen. Im Dorf seien nämlich Partisanen und Spione entdeckt worden. Die deutschen Truppen, die Italien nach der Kapitulation am 8. September 1943 besetzt hatten, waren auf dem Rückzug. In ihrem Kampf gegen die deutschen Truppen wurden  die Kampfverbände der Alliierten von italienischen Partisanen   hinter den Linien unterstützt. Die Maßnahme des deutschen Wehrkommandos schien  also auf den ersten Blick rein militärischer Natur zu sein.
Im Inneren des   Schlosses  zückten sie dann  ihre Pistolen und machten die Gemeindewache unschädlich, die für die Bewachung der Kunstgegenstände abgestellt war. Die  Kiste mit der Aufschrift  8 nahmen sie sofort mit.  Wild um sich schießend flüchteten sie mit der Beute. Das Fluchtauto hatten sie in de Nähe des Schlosses versteckt. In derselben  Nacht kamen sie mit Lastwagen wieder, um weitere  Kisten mit unschätzbaren  Kunstgegenständen zu stehlen. Viele der gestohlenen  Kunstwerke wurden nach dem Krieg wieder zurückgegeben. 1.500 wertvolle Kunstgegenstände sind jedoch seitdem verschollen. Der Kunsthistoriker Mario Bondioli Osio nahm nach mehr als einem halben Jahrhundert die mühselige Spurensuche wieder auf. In seinem Fokus insbesondere:  800 Gemälde, Skulpturen, Wandteppiche, Möbel, Stradivari-Geigen und Hunderte von Manuskripten.


Einzigartige Bronzestatuen, die  Etrusker mit Römern verbinden

Von Gianluca Delle Donne

 

In toskanischen San Casciano nahe Florenz haben Archäologen im Schlamm einer jahrtausendealten Thermalanlage einen historischen Sensationsfund gemacht.  Sie fanden mehr als 24 einzigartige Bronzefiguren, andere wichtige Gegenstände und Opfergaben  sowie Tausende  von Gold-,   Silber- und Bronzemünzen, die aus dem 2. Jahrhundert vor Christus bis zum 1. Jahrhundert nach Christus stammten und das Verhältnis zwischen Römern und Etruskern neu beleuchten.
Woher kamen die Etrusker, löschten sie die Römer aus  und wie war es um ihre Sprache bestellt?  Diese brennenden Fragen erhalten  jetzt durch die Exponate neue Nahrung.  Insgesamt 60 Wissenschaftler aus der ganzen Welt sind mit der Auswertung dieses Sensationsfundes beschäftigt.
Der Archäologe Jacopo Tabolli von der Universität Siena, der die seit drei Jahren  währenden Ausgrabungen leitet,  sprach von einer „einzigartigen“ Entdeckung. Tatsächlich handelt es sich um   den bisher größten Fund von perfekt erhaltenen Bronzestatuen aus der Etrusker- und Römerzeit nicht nur  auf dem Gebiet des heutigen Italien, sondern  auch  im gesamten Mittelmeerraum. Im warmen Thermalwasser und -schwamm wurden  die Votivkunstwerke  gut erhalten und weisen  sowohl etruskische als auch  lateinische Inschriften auf. Sie belegen gleichsam das Zusammenleben beider Kulturen.  „Während außerhalb des Heiligtums soziale und zivile Kriege ausgetragen wurden, beteten innerhalb des Heiligtums die großen etruskischen und römischen Elitefamilien gemeinsam in einem von Konflikten umgebenen Kontext des Friedens“, sagte Tabolli.   Der Archäologieprofessor und früherer Leiter von Pompeji, Massimo Osanna,  gab sich ebenfalls begeistert.  Dieser Fund trage dazu bei, die Geschichte des antiken Verhältnisses zwischen Römern und Etruskern neu zu schreiben, sagte Osanna.



Raffaello di Sanzios 500. Todestag: Der Meister der Natur 

von Vincenzo Delle Donne, Rom


 

Schöne, unglaubliche  und absurde Legenden ranken sich um Raphaels Geburts- und Todestag. Am Karfreitag geboren zu werden, was wahrscheinlich unzutreffend und wohl Giorgio Vasaris grenzenlosem Schwärmen geschuldet ist,   und am 6. April 1520 ebenfalls an einem Karfreitag viel  zu früh zu sterben,  wurde  im „unheiligen Rom“ als Zeichen Gottes gewertet. Was Jesus für das Christentum war, sei Raphael gewissermaßen für die Renaissancekunst gewesen, so die Lesart der Zeitgenossen, die nebenher das Adjektiv „göttlich“ suggerierten.   Mit nur 37 Jahren  nach einer  15tägigen,  mysteriösen Krankheit zu sterben, die ein stetig ansteigendes  Fieber verursachte und gegen die die behandelnden Ärzte  mit wiederholtem Aderlass vorgingen,   nährte zusätzlich endlose Spekulationen. Vasari bezeichnete die Krankheit als „Liebeskrankheit“.   Es kursierten aber  viele Gerüchte über seinen Tod.  Andere Quellen sprechen  von Vergiftung. Aber von wem und warum?  Hatten Raphaels Konkurrenten wie Michelangelo vielleicht  ihre Hand im Spiel? Für diese wilden  Spekulationen  gab es nie den Hauch eines  Beweises.  

Die Gerüchte um den Meister mit dem engelshaften Gesicht   waren  in jedem Fall eines  unumstrittenen Wunderkindes  der Renaissance-Malerei würdig.       Derjenige, dem schon bald nach seinem viel zu frühen Tod das  Attribut „göttlich“ anhaftete,  wurde  entweder am 28. März oder am 6. April des Jahres 1483,   um 3 Uhr nachts,  als erster und einziger  Sohn des Malers Giovanni de’ Santi und seiner Frau Maria di Battista di Nicola Ciarla in Urbino geboren. Apropos: Raphael wurde zur selben Uhrzeit wie Leonardo geboren, was als göttliches Zeichen einer Wahlverwandtschaft gewertet wurde.   Zumindest sein Todestag stimmte offenbar mit dem Todestag von Jesus Christus überein. Daher auch das Attribut „göttlich“, mit dem Raphael auch noch Jahrhunderte nach seinem Tod von Künstlern und Literaten  umschrieben  und bewundert wurde.   Einen wichtigen Anteil an seinem Talent und seiner Ausbildung hatte Raphael sicherlich seinem  Vater Giovanni  zu verdanken, der  eine gut laufende Werkstatt im mittelitalienischen Stadtstaat   Urbino betrieb.  Er weihte  ihn  auch schon in frühen Jahren in die  Geheimnisse seiner  Malkunst ein. Von ihm lernte Raphael  auch die Kunst der  schwierigen  Fresko-Technik.  Zudem hatte Raphael  durch seinen Vater die Möglichkeit, in den Herzogspalast von Urbino zu gelangen und so beispielsweise die Werke von großen Künstlern der Zeit wie Piero della Francesca, Luciano Laurana, Francesco di Girogio Martini, Pedro Berruguete, Giusto di Gand, Antonio del Pollaiolo und Melozzo da Forli aus der Nähe zu sehen und zu studieren.  Hier herrschte derzeit der dritte Herzog von Urbino, Guidobaldo da Montefeltro, der die halbbayerische Gräfin   Elisabetta Gonzaga geehelicht hatte. 

Als Raphael 11 Jahre alt war, starb sein Vater.  Schon in frühen Jahren erreichte er gleichwohl als Maler eine Reife, die  für die Zeit eine viel beachtete Ausnahme war.  Raphael erbte die Werkstatt des Vaters und führte sie mit einigen Mitarbeitern wie Evangelista da Pian di Meleto und Timoteo Viti zunächst  weiter. Doch schon vor dem Tod seines Vaters hatte Raphael wohl die Möglichkeit, die Werkstatt von Pietro di Cristoforo Vannucci alias  Perugino  kennenzulernen.  Der  aus Città della Pieve stammende Maler, der zu den einflussreichsten Malern seiner Zeit zählte,  unterhielt zwei wichtige Werkstätten in Florenz und Perugia. Zudem hatte Perugino  als Meisterschüler zur selben Zeit wie Leonardo  in der Werkstatt des Andrea del Verrocchio seine „mechanische Ausbildung“ erhalten.  

In der umbrischen Hauptstadt setzte Raphael seine Ausbildung von 1494 bis 1498 fort. Sie erfolgte  im Alter von 13 bis 15 Jahren.  Schon bald  danach ist  in Peruginos Werken Raphaels Handschrift als Maler zu erkennen.  Wo Farbnuancen  zu natürlichen Formen von Menschen und Landschaften werden, in denen  Licht und Schatten den Raum ausfüllen,  und man die Umrisse plastisch wahrnimmt,  ist Raphaels Malerhand deutlich auszumachen.  Bei Perugino lernte das junge Talent  zudem  die Technik der Grotesken, die dann  zu seinem großen  ikonographischen Repertoire  zählten. Sie stellten bestimmte antike Ornamente dar, die in der Renaissance neu interpretiert wurden. Diese ornamentalen Malereien, die durch einen Hirtenjungen in Neros verschütteten römischen Prachtvilla Domus aurea entdeckt worden sein sollen, und darum „Grottesken“(Grotte) genannt werden, waren damals Ausdruck des Exotischen und Regellosen, das den Bezug zu den christlichen Motiven bewusst ablehnte. Weil sie bizarr und phantasievoll waren, wurden sie von der Kirche als Ausdruck des Teufels oder als karnevalesk  abgelehnt.  

Raphaels erstes großes eigenständiges  Werk geht wohl auf das Jahr 1498 zurück, als er gerademal 15jährig  die Madonna col Bambino malte.  Lange ging man davon aus, dass das  Freskogemälde der Madonna mit Kind in dem Raum, in dem Raphael  angeblich geboren wurde, vom  Vater Giovanni  gemalt worden war.  Doch neuere Forschungen legen die Vermutung nahe, dass Raphael selbst es war, der seine Mutter Maria Ciarla als Madonna  und sich selbst als Jesuskind abbildete.  Maria sitzt dabei in einer Nische im Profil und hält  zärtlich auf dem Schoß das mollige Jesus-Kind, während sie in ein Buch vertieft ist. Der Schatten um Marias Kopfpartie  hebt mit Natürlichkeit  Kopfform, Haarpracht und Frisur hervor und verweist auf  Meisterwerke von  Piero della Francesca.  Hier kann man schon klar die Elemente von Raphaels Malerei erkennen, die seine Malkunst später unnachahmlich prägen sollten: die Intimität zwischen Mutter und Kind, das Hell-Dunkel-Spiel, das die beiden Figuren verbindet, aber auch die Natürlichkeit, mit der das Jesuskind auf dem mütterlichen Schoß  schläft.

1499 zog der mittlerweile 16jährige Raphael mit den Kollegen der väterlichen Werkstatt   nach Città di Castello, wo er den ersten großen Auftrag erhielt. Für eine örtliche Handwerkszunft, die sich bei der Madonna  für das Überstehen der Pest bedanken wollte, malte er die Kirchenfahne Stendardo della Santissima Trinità. Das Werk stieß auf eine solch große Anerkennung, dass weitere Aufträge folgten.   Im Vertrag über das  Tafelbild Pala del beato Nicola da Tolentino, dessen Auftrag Raphael 1500 erhielt, wurde er übrigens als Erster genannt, und zwar mit der Bezeichnung magister Rafael Johannis Santis de Urbino, obwohl er erst 17 Jahre alt war.   Schnell stieg er  in der Folge zum gefragtesten Maler in ganz Umbrien auf.  Gleichzeitig  unternahm er nicht nur Reisen nach Florenz, Rom und Siena, um Kontakte für weitere Aufträge zu sondieren, sondern  half auch seinem umbrischen Malerfreund Bernardino di Betto Betti alias Pinturicchio bei einem Auftrag im toskanischen Siena.  Doch dann hörte er von anderen Künstlern vom Wettstreit der florentinischen Maler-Giganten Leonardo da Vinci und Michelangelo Buonarroti, die sich  im Haus der Signoria in Florenz einen besonderen Wettkampf liefern würden. Der eine sollte die Fresken zur Battaglia di Anghiari (Schlacht von Anghiari) malen, der andere zu der Battaglia di Cascina (Schlacht von Cascina).  Das war das Signal für Raphael, nach Florenz zu gehen und sich mit den zwei florentinischen Giganten zu messen. Giovanna Feltria, die Schwester des Herzogs von Urbino und Frau des Herzogs von Senigallia, der auch „Präfekt“ von Rom war, schrieb Raphael ein entsprechendes Empfehlungsschreiben.  Im Brief vom 1. Oktober 1504  an den Chef der republikanischen  Stadtregierung von Florenz,    Pier Soderini,  wurde der junge Sohn von Giovanni Santi  bescheiden als „guter Handwerker“ bezeichnet, der einige Zeit in Florenz arbeiten wolle, um dazuzulernen. Das Dreigestirn der Malerfürsten war nun in einer Stadt  versammelt.  Raphael lernte in Florenz nicht nur dazu, sondern erhielt schon bald respektable Aufträge wie die Madonna del Prato und die Madonna Bridgemater. Besonders in  diesem  Gemälde zeigte Raphael eindrücklich, welche Lehren er von  der florentinischen Malschule verinnerlicht hatte.  Vor einem dunklen Hintergrund ist die strahlende  Madonna mit einem Jesus-Kind abgebildet, das nach links ausweichen möchte. Die Bewegung der beiden Figuren, die in hellen und leuchtenden Farben gemalt sind,  ist gegensätzlich. Ihre unterschiedlichen Gesten allerdings schaffen eine schlangenförmige Bewegung, die sie verbindet. Das  pummelige Jesuskind sieht dabei seine Mutter Maria an, die abwesend-resigniert  schaut.  Das virtuos umgesetzte Hell-Dunkel-Spiel verweist auf die Malkunst Leonardos.   Jüngste Untersuchungen haben ergeben, dass Raphael ursprünglich die Madonna mit Jesuskind vor einer Landschaft malte. Doch dann überlegte er sich anders und übermalte die Landschaft dunkel.  

In der künstlerisch hoch anregenden Atmosphäre  von Florenz freundete sich Raphael sofort mit namhaften Künstlern der Stadt   wie Aristotile da Sangallo, Ridolfo del Ghirlandaio, Fra’ Bartolomeo und den Architekten Baccio d’Agnolo, Antonio da Sangallo, Andrea Sansovino sowie  Francesco Granacci an. Schon nach kurzer Zeit war Raphael in der Stadt sehr angesehen. Insbesondere von Taddeo Taddei, der ihn oft zum Essen und zu seinen Festen  einlud, weil er sich gern mit „tugendhaften Männern“ umgab, wie Vasari schreibt. Für ihn malte Raphael auch die Madonna del Belvedere.  Die Madonna sitzt darauf vor einer Seenlandschaft  und hält vor sich  den kleinen  Jesus bei seinen  ersten Gehversuchen.  Zu seiner linken Seite reicht ihm ein kleiner Heiliger Johannes ein Holzkreuz, das sein späteres Schicksal als Erwachsener antizipiert.  Leonardos Einfluss ist nicht nur an der bläulichen, weichen  Darstellung der  Landschaft im Hintergrund zu erkennen, sondern auch an der Maria-Figur, die in ihren Gesichtsformen ein bisschen der Mona Lisa ähnelt.  Aber sie lächelt traurig-natürlich vom Betrachter abgewandt.  Rechts neben der Madonna sticht eine  rote Mohnblume, die wie bei Leonardo  auf das Leiden,  den Tod und die Wiederauferstehung von Jesus Christus verweist, ins Auge. 

Raphaels Aufenthalt in Florenz war für seine Malkunst maßgeblich, weil er hier nicht nur  ausgiebig den Stil der „Lehrmeister“ des 15. Jahrhunderts wie Masaccio und Donatello studierte, sondern auch die Weiterentwicklungen von Leonardo und Michelangelo.  Von Leonardo lernte Raphael beispielsweise, wie man die Figuren in Gruppen im Raum abbildete.  Weniger angetan war er indes von dessen komplexen Anspielungen; er setzte    eher auf die Darstellung spontaner und natürlicher Gefühle statt auf das psychologisch Unbestimmbare.   Von Michelangelo verinnerlichte Raphael hingegen sein plastisches Helldunkelspiel, den Farbenreichtum sowie seine unnachahmliche  Art, die Figuren in ihrer Bewegung darzustellen.

Raphaels Konkurrenz zu Michelangelo, der aufgrund seines Zorns schnell in Rage geriet,   war zudem unbeschreiblich groß.  Anfangs nährte Raphael gleichwohl  eine große Bewunderung für Michelangelo und seine einzigartigen Skulpturen, die er mit großer Sorgfalt studierte.  Er war beispielsweise sehr angetan von Michelangelos Studie  zu  dessen  geplanten Fresko  Battaglia di Cascina für den Rat der Stadt Florenz  und von der Art,  wie der Florentiner plastische Bewegung  aus seiner Bildhauerei in die Freskomalerei umsetzte.  Doch aus der anfänglichen Bewunderung wurde  schnell eine rücksichtslose Rivalität, als beide in Rom um die Aufträge des Papstes buhlten.  Der Konflikt spitzte sich zu, weil sich   Donato Bramante vielfach auf die Seite seines Landsmannes  Raphael schlug.  Der Chefarchitekt des  neuen Petersdoms   war es vermutlich auch, der  Papst   Julius II.  sein monumentales und sündhaft teures  Grabmal  ausredete. Das prächtige Mausoleum aus insgesamt 42 Marmorskulpturen, das Michelangelos erste große  Auftragsarbeit in Rom gewesen wäre,  hätte eine exponierte Stellung im neuen Petersdom einnehmen sollen. Am Ende wurde das Grabmal von Julius II.  in Miniaturausgabe gebaut. Es wies am Ende  insgesamt nur 7 Statuen auf, von denen Michelangelo  3 anfertigte. Selbst  nach fast  40 Jahren konnte  Michelangelo die „Tragödie des Grabmals“, wie er die Absage des Papst-Projektes bezeichnete,  nicht verwinden. In einem  seiner späten Briefe notierte Michelangelo voller Verbitterung: „All die Zwietracht, die es  zwischen Papst Julius und mir gab, waren auf den Neid von Bramante und Raphael aus Urbino zurückzuführen (...) und Raphael war der eigentliche Grund. Dabei hat er all seine Kunst nur mir zu verdanken.“ Überlegenheit an der Grenze  zur Überheblichkeit spricht  aus diesen Worten.  Aus etlichen Quellen geht tatsächlich hervor, dass Bramante Michelangelo beim Papst  schlecht zu machen versuchte.  Aber  es nützte nichts. Michelangelo genoss nichtsdestotrotz große Sympathien  beim Papst. Mit dem Auftrag,  die Sixtinische Kapelle mit Fresken auszumalen, kompensierte er gewissermaßen den entgangenen Auftrag des Grabmals.  Wenn es nach Bramante gegangen wäre, hätte Raphael  den Zuschlag erhalten.  Die ständige Rivalität zwischen den beiden Künstlern führte sogar dazu, dass sich Rom künstlerisch in zwei Lager teilte: in die Anhänger Michelangelos und die Raphaels. Die  Figuren  des „Göttlichen“ strahlen eine unnachahmliche metaphysische Aura aus und bestechen immer wieder durch ein mysteriöses Lächeln. Sie sind gleichzeitig real und irreal.   

Raphaels  Fresko „Schule von Athen“ bringt  bildlich die Bedeutung der antiken  Philosophie für die neue Zeit der Renaissance zum Ausdruck, die eine moderne  Sicht auf  das  Lebens gibt.  Er erhielt den Auftrag von Papst Julius II. 1508 auf Drängen von Donato Bramante,  als er in Florenz arbeitete. Raphael war gerade mal 25 Jahre alt.  Im Mittelpunkt des grandiosen Werkes  stehen  Platon, Aristoteles und Pythagoras.  Raphael übernahm von  Michelangelo dessen Darstellung der Körper, die oft einem unbeschreiblichen   Tumult aus Körperlichkeit und Leidenschaft ähnelt.   Deutlich lässt sich dieses Stilmittel am Profeta Isaia und im Incendio di Borgo  ausmachen. Raphael  lässt es sich nicht nehmen, seinem Erzrivalen ein malerisches Denkmal zu setzen.    Er   bildet Michelangelo  in der Figur des Heraklit im Vordergrund ab.  Die Aufteilung in Gruppen erinnert aber auch an Leonardos Letztes Abendmahl in Mailand.  Das dokumentiert, wie empfänglich  Raphael für die Neuerungen seiner Rivalen war, die er nicht nur nachahmte, sondern auch übertraf. Egal,  ob es die Farbfröhlichkeit eines venezianischen Malers, die Weichheit und die Überhöhung eines Leonardo oder der Bewegungsreichtum eines Michelangelo war.  Er studierte   zwar  aufmerksam die künstlerischen Elemente seiner Rivalen, übernahm und  mischte sie aber neu, so dass seine eigene künstlerische Handschrift  nicht nur Gestalt annahm, sondern sich im Dreigestirn der Renaissance als der „göttliche Mittelpunkt“  des Künstleruniversums erwies. Nicht Michelangelo und schon gar nicht Leonardo wurden die neuen Baumeister der Baustelle des neuen Petersdoms, als Donato Bramante starb.  Der neue Baumeister, den der Medici-Papst  zum Nachfolger von Bramante ernannte, hieß  Raphael,  und es überraschte keinen in der römischen Künstlerfraktion. Denn Raphael wurde gemeinhin als der uneingeschränkte  „Künstler-Gott“  angesehen, bis er überraschend am Karfreitag des Jahres 1520 starb.

 

In Raphaels Nachlass befand sich  auch das profane  Tafelgemälde la Fornarina,  die Bäckerin.  Raphael malte die  schöne, junge Muse zwischen 1514 und 1519.  Kunsthistoriker gehen davon aus, dass sie Raphaels Geliebte war, die er auch in den Tafelbildern   Velata   und in der Madonna Sistina  malte.  Leonardo hatte Salaj, Michelangelo Tommaso de’ Cavalieri und Raphael die Bäckerstochter Margherita Luti aus dem römischen Stadtteil Trastevere.  Ihr Vater war der Bäcker Francesco Luti, der den Spitznamen Senese hatte, weil er  wahrscheinlich aus Siena stammte.  Den doppeldeutigen Namen erhielt das Gemälde, auf dem Raphael seine Geliebte darstellte, erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Einige Kunsthistoriker mutmaßten etwas kühn und vorschnell, dass sie eine römische Hure gewesen sei.  Von Margherita Luti existieren indes keine genauen Angaben weder zu ihrem Geburts- noch zu ihrem Todestag.  Lange Zeit hieß es etwas vage, sie sei nach Raphaels frühem  Tod ins Kloster gegangen und kurze Zeit später verstorben.  1897 entdeckte dann der Kunsthistoriker Antonio Valeri  tatsächlich eine Urkunde, die diese Hypothese bestätigte. Im Dokument aus dem römischen Kloster Sant’ Apollonia a Trastevere   heißt es wörtlich: „Heute, am 18. August 1520, wurde in unserem Kloster Madama Margherita, Witwe und Tochter des Francesco Luti di Siena, aufgenommen.“ Der Zusatz „Witwe“ lässt darauf schließen, dass Raphael sie wohl heimlich geheiratet haben musste. 

Das sinnlich-natürliche Gemälde    war wohl für einen privaten Auftraggeber bestimmt.   Auf dem  Akt zeigt eine schüchtern blickende  junge Frau, die im Dreiviertelportrait im direkten Licht  nach rechts schaut, mit bestechender Natürlichkeit  ihren nackten Oberkörper. Mit ihrer rechten Hand hält sie einen kleinen Schleier, der ihren Bauch bis  unter ihren linken zierlichen  Busen  bedeckt.  Ein roter Umhang verhüllt ihre Beine.  An ihrem linken Arm trägt sie einen blauen Armreifen, auf  dem  deutlich die Signatur des Malers zu lesen ist.    Ihr Haar wird  von einem  grünblaugestreiften  Seidenturban bedeckt, der mit einer Brosche aus zwei Edelsteinen mit einer hängenden Perle zusammengehalten wird.  Im Hintergrund ist ein dichter Myrtenbusch zu sehen, der auf die Venus anspielt.   Man könnte das Gemälde auch als Raphaels Antwort auf Leonardos Mona Lisa interpretieren, auf dem eine junge Frau liebreizend und sinnlich ihre unverstellte natürliche Schönheit zur Schau stellt. 



58. Kunst-Biennale in Venedig: Ralph Rugoff kuratiert 

von Vincenzo Delle Donne, Venedig

Ralph Rugoff  hat  bei der Pressekonferenz im Biennale-Palazzo am Canal Grande nichts von seiner stoischen Ruhe verloren, auch wenn Biennale-Präsident Paolo Baratta ihn  schlagartig ins internationale Rampenlicht der modernen Kunstwelt  katapultiert hat.  Rugoff  redet langsam und  bedächtig, als dozierte er vor einer Klasse von Kunststudenten über die Rolle der zeitgenössischen Kunst heute. Dabei ist  der 61jährige Leiter der Londoner Hayward Gallery, der in New York geboren wurde,   ab sofort Kurator der 58.  Esposizione Internazionale d’ Arte di Venezia, die auch unter seiner Ägide 2019 den Nabel der modernen Kunstwelt darstellt.      Kunst und Zeit, Interkonnession und Erfahrung scheinen dabei die Kategorien, auf die Rugoff  programmatisch setzt.    Seine Kunstschau  in der Lagunenstadt hat den  klar filosofischen Titel May You Live in Interesting Times (Mögest du in interessanten Zeiten leben!). 

Der merkwürdig klingende   Titel  der venezianischen  Kunstschau  geht auf einen alten chinesischen Fluch zurück, den in den Dreißiger Jahren der glücklose britische Primeminister      Austen Chamberlain in einer Rede aufgriff.  Drei Jahrzehnte später verhalf ihm  der  rhetorisch   brillante Robert Kennedy in den Sechzigern zu neuerlichem  Ruhm, ehe er ermordet wurde.  In einer immer düster werdenden  Zeit, in der im Westen der Populismus, der Nationalismus und der unbegründete Irrationalismus seltsame Stilblüten feiert, kommt den Künstlern und ihrer  Kunst eine wichtige Mittlerrolle zu.  Sie sind Rufer in der Wüste und  sollen dazu beitragen, den Abgrund zu erkennen und die drohende Katastrophe zu vermeiden. 

“Die Bedeutung der Kunstwerke ist  nicht in den abgebildeten Objekten”, betont Rugoff, “sondern im Dialog, den sie verursachen: in erster Linie nicht nur zwischen dem Künstler und seinem Werk und dem Betrachter, sondern auch zwischen den unterschiedlichsten Betrachtern.”   Für Baratta, der vor nunmehr 20 Jahren das neue Konzept  der Öffnung der Kunst-Biennale nach außen propagiert hat, ist Rugoffs Wahl die “Garantie für eine formale Klarheit” (Baratta). Er soll dafür sorgen, dass wieder über 600.000 Besucher aus dem In- und Ausland in die Lagunenstadt pilgern. 

Die Kunst-Biennale, die vom 11. Mai bis 24. November hauptsächlich  im Arsenale und in den Giardini, wo die nationalen Pavillons sind,  zu sehen sein wird, wird kein genaues Thema vorgeben. “Aber im Vordergrund steht gleichwohl die Annäherung an die Kunst sowie  ihre soziale Funktion, die nicht nur den Kunstgenuss, sondern auch die Kritik betont”, so Rugoff.  Seit über 30 Jahren habe er großen Spaß daran,   verschiedene Formen der Kunst  zu erkunden und sich mit ihnen kritisch auseinanderzusetzen.   Aufmerksamkeit erlangte er vor allem durch die unkonventionell kuratierte   Kunstschauen, die  Rekordbesucherzahlen erreichten und die Kritik  als “populär” bezeichnete. 

Auf der Kunst-Biennale kann Rugoff sich  förmlich austoben und jene „Interkonnession“ in Kunst und Gesellschaft  zelebrieren, die schon Leonardo und Lenin thematisierten und die er zu seinem Leitmotiv erklärt hat. Man darf  also auf den Dialog gespannt sein, den eine so geartete Kunstkonzeption  unter Künstlern, Kunstliebhabern und Kritikern entfachen wird.   



16. Architektur-Biennale in Venedig:

oder: die Suche nach Freiräumen


von Susanne  Delle Donne 

Die Vorgabe war von vorneherein  sehr ambitioniert: Es sollte  um das Nachdenken über freie, öffentliche und kostenlose Räume gehen, die es in der riesigen Welt der Architektur zuhauf gebe. Herausgekommen ist ein wahrhaftiges Manifest über die Bedeutung des freien Raumes, was Biennale-Präsident Paolo Baratta sehr zu freuen scheint.      Freespace ist  folgerichtig  das  ambitionierte Motto der   16. Biennale dell’Architettura 2018 di Venezia, die diesmal   das  bekannte irische Architekten-Duo   Yvonne Farrell e Shelley McNamarakuratieren.  Die weltgrößte Architektur-Schau mutet tatsächlich auch sinnlich,  farbenfroh, kreativ und optimistisch an. Aber auch ein bisschen exaltiert.   Sie ist  fast schon eine Hymne an die vielen generösen  und  aufrüttelnden Projekte aus der ganzen Welt. Auch aber eine Metapher für eine Architektur, die das Spiel mit  Licht, Sonne, Schatten, Mond, Luft, Wind und Anziehungskraft förmlich und variantenreich  zelebriert. Ob sie repräsentativ ist, möge dahingestellt sein.  

Es ist in diesem Sinne  kein Zufall, dass die Kuratorinnen dem Motto der Schau  das  alte Sprichwort voranstellten:  “Eine Gesellschaft kommt nur  voran und schreitet fort, wenn Ältere Bäume pflanzen, in deren Schatten sie sich nie setzen werden”. 71 Teilnehmer aus 65 Ländern suchten die Kuratorinnen aus und unterteilten sie in zwei Sektionen: die erste in   Close Encounter, meetings with remarkable projects, die  bekannte Arbeiten  aus der Vergangenheit kritisch reflektieren; die zweite hingegen, The Practice of Teaching, versammelt Arbeiten aus den  Lehr-Räumen: gewissermaßen Lehrstücke der freien Räume. Die interessantesten  Beiträge kommen  aus  Antigua & Barbuda, Saudi Arabien,  Guatemala, dem  Libanon,  der Mongolei,  Pakistan. Apropos: der  Heiligen Stuhl ist auf der Insel san Giorgio erstmalig vertreten.  Die Namen der Architekten sind allesamt wohlklingend:  Álvaro Siza Vieira, l’Atelier Peter Zumthor & Partneroder  die BIG - Bjarke Ingels Group. Highlights sind auch die Beiträge von    David Chipperfield Architects, des  japanischen Architekten-Duos  Kazuyo Sejima+Ryue Nishizawa / SANAA bis hin  zum Architektur-Büro  Odile DECQ, das sehr fantasievoll den  unsichtbaren Raum  umgesetzt hat.

Italien wartet mit einem interessanten Beitrag von Mario Cucinella auf, der den Namen “Archipel italien” trägt und eindringlich zeigt, wie sich der Apennin langsam entvölkert und damit ein Teil seiner Kultur unwiederbringlich verlorengeht. Hier zeigt sich, dass Italien dringend eine Zuwanderung braucht.  

Der deutsche Beitrag im deutschen Pavillon  steht  hingegen unter dem Motto "Unbuilding Walls"  und befasst sich mit den baulichen Folgen der deutschen Teilung im ehemaligen Grenzgebiet. Also mit der Frage, wie Leerräume wieder zu tatsächlich  freien Räumen werden können.  Beispiele sind der einstige Grenzkontrollpunkt Checkpoint Charlie in Berlin, der Europa-Radweg entlang des "Eisernen Vorhangs",  das zugewucherte Dorf Jahrsau nordöstlich von Salzwedel oder der Potsdamer Platz in Berlin-Mitte. Kuratoren der Ausstellung sind die frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, und das Berliner Büro Graft mit den Architekten Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit. Aber hier drängt sich die Frage auf: freie Räume für wen? Sicherlich nicht immer  für die Menschen im Allgemeinen, sondern vielmehr für die Finanzpotentaten dieser Welt, die nach neuen Anlagenmöglichkeiten suchen, wie die jüngste Immobilienpreisententwicklung in Berlin zeigt.  

Am Ende hoffen die Kuratorinnen  gleichwohl, etwas von ihrer optimistischen Sicht auf die Architektur  insgesamt zu vermitteln, indem  sie   blauäugig die „Gabe“ der Eingebung durch die  Architektur beschwören.   Möge ihr „Manifest“ sich vielleicht doch  durchsetzen, kann man hier nur wünschen. 

 


Raphaels “Fornarina": rätselhaft schöne Bäckerstochter oder römische Edelhure?

von Gianluca Delle Donne

 


Das Rätsel um die junge Dame mit dem liebreizenden  Busen, die  Raphael  kurz vor seinem Tod malte und inspirierte, dauert nun beinahe 500 Jahre an. Ihre Identität ist unter Kunsthistorikern umstritten, aber als sicher gilt, dass sie für den Göttlichen Geliebte und zugleich  Muse war.

 

 

 

 

Der Busen ist liebreizend und von natürlicher Vollkommenheit. Ein durchsichtiger Schleier verhüllt ihren Bauch. Auf ihrem Kopf trägt sie einen eleganten Turban und auf ihren linken Oberarm verrät ein Armband den Namen Desjenigen, der sie erschuf   und unsterblich machte:  Raphael Urbinas, Raphael aus  Urbino. 

 

 

Viele Legenden kreisen um die natürlich Schöne, aber eines ist gewiss: Für  ihre dunklen und tiefen Augen verlor Raphael  den Kopf.   Wer war also die junge Frau, die als kleine Bäckerin in die Kunstgeschichte einging und heute mit ihrer verstörenden Schönheit die Säle der Galleria Nazionale di Arte Antica  des Palazzo Barberini erleuchtet?  Raphael malte sie auf einer Tafel um 1518.   

 

 

Viele Kritiker sind der Ansicht, dass es sich um Margherita Luti handle, die Tochter des Bäckers Francesco, der in der Via Santa Dorotea 19 im Stadtteil  Trastevere seinen Bäckerladen hatte.  Aus dem Fenster lehnend hatte sie Raphael erblickt und war ihr sodann verfallen.  Eine Begegnung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Eine Inschrift an dem Haus erinnert heute noch daran: „hier lebte diejenige, die Raphael Sanzio innig liebte.“ Auch sie soll dem Meister über den Tod hinaus treu geblieben sein.   Tatsächlich soll sich die Bäckerstochter nach dem Tod des Geliebten ins Kloster von  Sant’ Apollina zurückgezogen haben. Nach Giorgio Vasari jedoch, dem meisterhaften   Künstlerbiografen, soll Raphael vom Anblick seiner Muse fasziniert worden sein, als sie nackt im Tiber badete und er des Weges kam.  Vasari berichtet auch, dass Raphael drohte, die Arbeiten an den Fresken der Loggia von Galatea in der Villa Farnese abzubrechen, wenn nicht umgehend die schöne Bäckerin in sein Atelier gebracht würde.

 

 

 

Doch der Streit unter Kunsthistorikern ist groß. Andere  vertreten  die Ansicht, dass  es sich bei der bekannten Muse eher um eine Edelhure gehandelt haben soll, die Raphael dabei erblickte, wie sie aus ihrem Fenster lehnend die Kunden zu bezirzen versuchte.  Die junge Frau mit den tiefdunklen Augen war danach  im Metier just unter dem Namen „Fornarina“ eine  stadtbekannte Größe.  Fortan sollten ihre Liebreize in viele Gemälde des Meisters einfließen, die  er vor allem in seinen letzten Jahren malte - von der Velata zum   Trionfo di Galatea bis hin zur  grandiosen Sixtinischen Madonna,   auch wenn die Kritik über diese Lesart nicht einhellig übereinstimmend  ist.  Der Name des Gemäldes „Fornarina“  ist übrigens erst ab dem 18. Jahrhundert  verbürgt. 

 

 

Bis zu seinem plötzlichen Tod bewahrte Raphael das Gemälde  in seinem Atelier auf.   Die Restaurierung im Jahr 2000  hat ergeben, dass der Meister das Gemälde in zwei Schaffensphasen malte: In einer ersten lehnte er sich an Leonardo an und malte als Hintergrund eine Landschaft; in einer zweiten ersetzte er die weite Landschaft durch einen  Myrtenbusch, der der Venus so heilig war. Darüber hinaus kam der Ring am linken Ringfinger zum Vorschein, den Raphael bei der zweiten Überarbeitung übermalte.  Über den Grund dafür herrscht Rätselraten: Wollte er einen Rückzieher vom Heiratsversprechen machen, weil es sich doch noch um ein leichtes Mädchen handelte?  

 

 

 

 

 


15. Architektur-Biennale in Venedig:  auf der Suche nach neuen städtebaulichen  Impulsen 

von Susanne  Delle Donne  

 

Der martialisch anmutende Titel der 15. Architektur-Biennale „REPORTING  FROM THE FRONT“, den der chilenische Kurator und frischgebackene Pritzker-Prize-Träger Alejandro Aravena gewählt hat,   suggeriert, dass die  moderne Architektur  derzeit einen (aussichtslosen?)  Krieg kämpft - im Spannungsfeld von stetiger Urbanisierung oder Verödung  und handfesten  Kapitalinteressen. Das führt dazu, dass der überwiegende Teil der Menschheit vom Segen der modernen Architektur ausgeschlossen ist und nur „vor sich hinhausen“ kann.  In der Tat  versteht  sich diese Ausgabe der Biennale in Venedig unter der Ägide  des etwas behäbig wirkenden   Präsidenten  Paolo Baratta als  ein  Front-Bericht der besonderen Art.  Schon allein die Wahl, den relativ jungen Chilenen als Kurator  der diesjährigen Ausgabe zu bestellen, war für viele Arrivierte der Zunft   eine Provokation. Schließlich hatte Aravena eher durch das sogenannte  partizipative Bauen für die Ärmsten und mit den Ärmsten von sich Reden gemacht. Ein Thema, das in Südamerika hochaktuell ist.   Er  ging  gleichwohl sehr selbstbewusst die Aufgabe an und   ließ sich  auch davon nicht beirren, dass   die  zwei letzten  recht erfolgreichen  Ausgaben von den  Stararchitekten David Chipperfield und Rem Koolhaas    kuratiert  worden waren.   Aravena  will  auf der  sowohl in  den Giardini und im  Arsenale  als auch in den anderen Ausstellungsräumen der Stadt zu sehende Schau neue Sichtweisen auf die Architektur provozieren.   Das deklarierte Ziel des  derzeitigen  Professors  für Elemental-Copec  an der Katholischen Universität von Chile ist es also, in der modernen  Architektur  neuen Sichtweisen   Raum zu geben.  Kein Wunder also, dass er  in der 65 Länder  umfassenden  Architektur-Schau  insbesondere  jungen aufstrebenden Talenten ein neues Forum gibt.   

 

Das Leitmotiv der Ausstellung Alejandro Aravenas lieferte  übrigens eine deutsche, aus Dresden stammende  Mathematik-Lehrerin, die  als  südamerikanische „Archäologin“ mit der systematischen Untersuchung der Nazca-Linien   berühmt werden sollte. "Während seiner Reise nach Südamerika“,  führt  Alejandro Aravena aus, „traf Bruce Chatwin  eine ältere Dame, die zu Fuß durch  die Wüste ging und dabei   eine Aluminiumleiter auf ihren Schultern  trug. Es war die  deutsche Archäologin  Maria Reiche, die  die Nazca-Linien studierte.“ Wenn man die Steine und alten Relikte  vom Boden betrachtete, versetzte  die unermüdliche Hobby-Archäologin, schienen sie sinnlos und trivial zu sein.   Aber von der Spitze der Leiter  verwandelten sich die  Steine ​​ in Vögel, Jaguare, Bäume oder Blumen. Durch ihre neue Sichtweise nahmen so  riesigen Scharrbilder in der Wüste bei Nazca und Palpa in Peru Gestalt an.  Ein Bild oder besser eine Vorgehensweise, die   Biennale-Präsident  Baratta gerne auf die  moderne Architektur übertragen würde.  Denn die moderne Architektur sei ein  „desolates  Land immenser,  von Menschen bewohnter Gebiete, auf  die die Menschheit  kaum stolz sein kann; sehr enttäuschende Lösungen, die  unzählige verpassten Chancen für das Verständnis und die Wirkung der menschlichen Zivilisation darstellen. Viele  Realitäten seien einfach tragisch und verursachten Gewalt, andere erschienen  trivial, und alle  markierten   gleichwohl das  Verschwinden der  Architektur.  

 

Über diese so beschaffene  Architektur  präzisiert  Aravena unverblümt: "Sie ist  das  Resultat  von Regeln, Interessen, Wirtschaft und Politik, oder vielleicht auch  des  Mangels an Koordination,  von Gleichgültigkeit, aber auch  Zufälligkeit. Diese  architektonischen Formen jedoch können  das Leben der Menschen verbessern oder zur Hölle machen. Die  Bedingungen wie Mangel an Ressourcen oder  sehr restriktive Beschränkungen sind eine ständige Bedrohung für rationale und am Menschen orientierte Lösungen.“  Aravena benennt in diesem Kontext auch den Negativeinfluss von   „Gier und  die  Hektik der Hauptstadt, Dummheit und Konservatismus des bürokratischen Systems,  die dafür sorgen, dass  banale, mittelmäßige und langweilige  Orte entstehen.“  

Der  spanische Pavillon in den Giardini ist ein Highlight.  Das Produkt ist wirklich bemerkenswert, weil  die Kuratoren Carnicero+Quintans  die Entwürfe von aufstrebenden jungen Architekten  ausgesucht haben,   die durch das Engagement und Kreativität die Grenzen von Materialien und Kontext überwinden.  Kein Wunder also, dass die Biennale-Jury just dem spanischen Pavillon den Goldenen Löwen für das beste nationale Konzept verlieh.  Die im amerikanischen Pavillon ausgestellten Arbeiten entwickeln hingegen die   Konzepte gegen die Verödung der ehemaligen Autometropole Detroit.   Gegen den gespenstischen  Leerstand setzen die Architekturwissenschaftlerinnen Mónica Ponce de  Léon und Cynthia Davidson  die belebende  Idee, marode Stadtstruktur als Hebel für neue Stadtentwicklungen anzusehen.  Die Ausstellung ist zwar gut gemacht,  aber die Konzepte entwickeln keine neuen Gedanken, sondern fußen auf alten Ideen. 

Neue,  aktuelle Akzente setzt auch der  deutsche Pavillon, das unter dem Titel „Making Heimat, Germany, Arrival Country“ stand und von den Kuratoren  Peter Cachola Schmal und Oliver Elser verantwortet wird. Bei den vorgestellten Projekten geht es um die Unterbringung von Flüchtlingen. Großformatige Fotos von neun ausgewählten Projekten zeigen, wie die Unterbringung schnell und human gewährleistet werden kann.  Die Kuratoren wollen dies als Diskussionsbeitrag verstehen.   Doch statt neue Fragen zu formulieren, wie beispielsweise die Integration der Flüchtlinge architektonisch flankierend begleitet werden kann, beschränkt man sich auf eine nüchterne Bestandsaufnahme.  Gleichwohl ist  die Idee gelungen, durch die vier Öffnungen im Pavillon zu demonstrieren, dass Deutschland ein offenes Land sei. 

Der Goldene Löwe für den besten Teilnehmer ging  übrigens an Gabinete de Arquitectura (Solano Benítez; Gloria Cabral; Solanito Benítez - Paraguay) für die Umsetzung von   Materialien, struktureller Einfachheit und ungelernter Arbeitskräfte, damit die  „neue Architektur“ auch jene Schichten erreicht, die bislang davon ausgeschlossen waren.  In den vielen Favelas Südamerikas beispielsweise, aber auch in Venedigs Industrievorort am Festland  Mestre  ist diese Thematik aktueller denn je.  „Der soziale Nutzen der Architektur“, fordert  Aravena, „muss wieder  stärker  ins Gewicht   als die Interessen des Kapitals fallen.“  Vor Journalisten wurde Aravena für diese Aussage mit tosendem  Beifall bedacht.  Doch mit dieser utopischen Sicht der Architektur  dürfte er sich  weiterhin als  Don Quijote  der Architektur darstellen.

Juwelen einer privaten  Kunstsammlung   

 


von Gianluca  Delle Donne 


 

Vittorio Cini war ein umtriebiger  Tausendsassa und eine  schillernde Jahrhundertfigur obendrein. Er war  Faschist, Industrieller und Kunstmäzen und stammte eigentlich aus Ferrara.  Cini  war   auch  ein leidenschaftlicher  Venedig-Liebhaber, und zwar so sehr,  dass er die Lagunenstadt  zu   seiner Wahlheimat auserkor. Im Dorsoduro kaufte er  sich einen repräsentativen  Palazzo und  lebte zeitlebens  hier - bis zu seinem späten Tod.  Cini gelang  auch das Kunststück,  vom italienischen Staat eine gesamte Insel gewährt zu bekommen: die San Giorgio-Insel mit  ihren diversen kunsthistorischen Schätzen, die er dann  gleichsam in Eigenregie restaurieren ließ.  Auf der Insel hat jetzt die renommierte Fondazione Cini, die den künstlerischen Nachlass des im Faschismus  geadelten Unternehmers,  ihren Sitz.  

Cinis Palazzo nahe des  Guggenheim Museums ist  hingegen seit geraumer Zeit ein kleines, aber feines  Museum und ein  künstlerischer Insidertip der besonderen Art. Jetzt sind im zweiten Stock  unter dem Titel „Capolavori ritrovati“  außergewöhnliche Meisterwerke aus Cinis Privatsammlung  zu sehen, die sagenhafte Meister  des 14. bis zum 18. Jahrhunderts  wie Crivelli, Tizian, Lotto, Guardi, Canaletto und  Tiepolo umfasst.     

 

Die Malerei des 14. Jahrhunderts beispielsweise  ist durch die großen malerischen Wegbereiter  Guglielmo Veneziano,  Nicolò di Pietro oder   Michele Giambono  vertreten, die die spätgotische Malerei in Venedig zur Hochblüte trieben.   Die Renaissance-Malerei ist indes  durch die außergewöhnliche  Madonna  Speyer repräsentiert:   ein Werk wie ein künstlerisches Vermächtnis des Malers Montagna, dessen Einfluss durch Mantegna, Bellini  und Antonello da Messina  unverkennbar ist. 

Bemerkenswert ist auch das rätselhafte  Gemälde San Giorgio che uccide il drago, das  erst kürzlich definitiv   Tizian zugeschrieben wurde.  In Cinis Privatsammlung durften natürlich die großen Vertreter der venezianischen Malerschulen wie Canaletto, Antonio und Francesco Guardi sowie   Tiepolo  nicht fehlen.  

Die zwei  Capricci aus  Canalettos Frühwerk sind  in der Sammlung gleichsam das Pendant  zu den vier erhabenen  Capricci von  Francesco Guardi und den  zwei kleinen Zeichnungen für das Tafelbild von  Giambattista Tiepolo. Von  Antonio Guardi    stammen hingegen drei Zeichenbücher, die auf 58 Blättern wichtige Etappen der Geschichte Venedigs illustrieren.

 



 

Christine Macel: Das feminine Gesicht moderner Weltkunst und die Kuratorin der 57. Kunstbiennale in Venedig 

von Susanne Delle Donne


 

 

Paolo Baratta, der  neue  und alte Biennale-Präsident, will wahrhaft neue Akzente setzen.  Nach Okwui Enzewor, der die jüngst zu Ende   gegangene Kunstbiennale  über die Brüche und Teilungen der Welt sinnieren ließ, ernannte er   nun Christine Macel  zur Kuratorin der nächsten,  57. Kunstbiennale von Venedig. Die ehrgeizige Französin wird die   famose Schau moderner Kunst verantworten, die  vom 13. Mai  bis zum 26. November 2017 in den Giardini, im Arsenale und in  ausgewählten Galerien  der Stadt  stattfindet. Der letzte Franzose, dem diese Ehre vergönnt war, war    Jean Clair vor 22 Jahren.
Christine Macel ist in Sachen moderner Kunst kein gänzlich unbeschriebenes Blatt und auf der Kunstbiennale ohnehin eine feste Größe. Seit dem  Jahr 2000 ist sie Chefkuratorin des Musée national d’art moderne – Centre Pompidou von Paris. Zuvor arbeitete sie  beim französischen Kulturministerium als Konservatorin in der  “Délégation aux Arts Plastiques”.  „Aufgrund ihrer Erfahrungen in der Abteilung  ‘Création contemporaine et prospective’ des  Centre Pompidou von Paris hat  sie  seit geraumer Zeit    einen Beobachtungspunkt inne, der ein reiches Potential offenbart, wenn es darum geht, die neuen Energien in den verschiedenen Teilen der Welt auszumachen“, betonte Baratta die überraschende  Wahl  Males. 
Am  Beaubourg erregte Christine Macel Aufsehen  mit eindrucksvollen Einzelausstellungen etwa  über Raymond Hains, Sophie Calle, Philippe Parreno sowie Gabriel Orozco. Sie verantwortete  aber auch  auf der  Kunstbiennale  von Venedig  2007 den belgischen und  2013 den französischen Pavillon.
Im Katalog über die in Palermo stattfindende Ausstellung „Nel Mezzo del Mezzo“, die sie gemeinsam mit Marco Bazzini und  Bartomeu Marí  kuratierte,  schrieb Macel: „Unser heutiges Problem ist die Neudefinition einer gemeinsamen, materiellen und spirituellen Kultur, eines `mediterranen Bewusstseins´ angesichts des Fehlens einer politischen, wirtschaftlichen und religiösen Einheit.“

 

 


Kitsch oder Kunst in Florenz? Hitzige Debatte um  den  „König und Königin der Unterwelt“ 

von Gianluca Delle Donne


 

„Pluto e Proserpina“ heißt das famose Kunstwerk von Jeff Koons, das golden leuchtend   in Florenz die Gemüter erhitzt.  Stand es doch für einige Monate gleich neben Michelangelos David auf der Piazza della Signoria, gewissermaßen auf Augenhöhe mit dem unerreichten  Renaissance-Meister.   Schon das war für  viele waschechte Florentiner ein unsäglicher Affront. Von der ironisierenden Wirkung von Kitsch und Kunst, auf die Koons abziele, hielten sie wenig.  Einige witzelten  gar, Koons habe die Mächtigen in der Wiege der Renaissance mit der Aussicht auf  weltweite mediale Aufmerksamkeit  überlistet und getäuscht, denn das   Kunstwerk  sei nichts Anderes als  das überdimensionale  Produkt eines 3D-Druckers.  Andere erkannten darin, dass der US-amerikanische Künstler  sich damit nur  die nötige Publicity verschaffen  wollte. Schließlich sei die „Orangerie der Stadt“  über Jahrhunderte hinweg nur florentinischen Künstlergenies vorbehalten gewesen. Künstlern mit Koons’ gleichen Ansinnen wie beispielsweise Henry Moore erteilte man in den Siebzigern eine erboste Absage.   

Der Stadtvater von Florenz, Dario Nardella, jedenfalls  mochte darin nichts Verwerfliches sehen und gestattete Koons  die Aufstellung seines Kunstwerks - wenn auch auf Zeit,  beschränkt eben auf wenige Monate.    

Schon daran kann man ablesen, dass   Koons  äußerst gewieft  ist - in Sachen Kunst und vor allem Kommerz.  Schließlich ist er seit spätestens  2013 mit seinem für 58,4 Millionen Dollar versteigerten  Balloon Dogs (Orange)   zweifelsohne der teuerste lebende Künstler der Welt.  Und um seiner Karriere auf die Sprünge zu helfen, meinen Kritiker,  habe er nicht einmal davor zurückgeschreckt, den berühmten  Pornostar „Cicciolina“ (Pummelchen), die sogar im  italienischen  Parlament saß,  abzubilden und später  gar zu ehelichen.   Die Liaison ging  bekanntlich schon  früh in die Brüche und artete  dann zu einem unappetitlichen Rosenkrieg aus, als es um das Sorgerecht des aus der Ehe hervorgegangen Sprosses Ludwig ging. 

Jetzt steht  in Florenz die Frage an, wohin mit Koons  Kunstwerk.  Der Künstler hat schon angedeutet, es für eine weitere unbestimmte Zeit der Stadt Florenz zu überlassen, wenn sich ein angemessener Ausstellungsort dafür fände.  Die Suche gestaltet sich aber schwierig.    Eines ist gewiss: Von der Piazza della Signoria soll das Kunstwerk  spätestens Ende Januar verschwinden.  Proserpina ist übrigens eine römische Göttin, die  u.a. dafür sorgen soll, dass der Weizen wächst.  Der Weizen ist in der italienischen Umgangssprache ein Synonym für Geld.  Pluto, der König der Unterwelt,  raubte sie und machte sie zu seiner geliebten  Königin.  


Glanz und Untergang in Pompeji


von Gianluca Delle Donne


 

Sie erstrahlen nun   wieder  in altem  Glanz:    die sagenhaften römischen Villen, die vom Reichtum einer untergegangenen Stadt zeugen und  mehr als 18 Jahrhunderte  lang  unter Lava  unfreiwillig für die Nachwelt konserviert wurden. 6 von über 1500 noch zu restaurierenden Häusern, die man vor dem Einsturz bewahren muss.  Es handelt sich um   die Fullonica von  Stephanus, die Häuser des  Criptoporticus,  Paquius Proculus, von  Sacerdos Amandus, von  Fabius Amandius und  das Haus des  Ephebes.

Die Villa  Fullonica von Stefanus ist das Paradebeispiel einer außergewöhnlichen  Bottega  von vor 2000 Jahren. Die Familie   Fullones waren sehr mächtig und gehörte zu den wichtigsten politischen Strippenziehern in Pompeji. Das dokumentiert  auch das reiche   Interieur ihres Ladens und des Hauses.  Gleich nebenan liegt die Domus des  «Criptoportico», die ihren Namen vom etwas versteckten Portico unter ihrem Garten erhalten hat.  Im Mittelpunkt der  Freskenverzierungen, die man im  gemäßigten Bad „Tiepidarum“ entdeckt hat,  steht eine purpurrote Tänzerin,  die  anmutig tanzend einen Stock schwingt.

 

Im Haus des Sacerdos Amandus entdeckte man bei den Ausgrabungen neun menschliche Skelette von Männern, Frauen und Kindern, die bei der Flucht vom niederstürzenden Haus begraben wurden.  Es fasziniert, wie reich diese „Domi“  mit mythologischen Motiven ausgeschmückt waren. Da sind zum Beispiel die Abbildungen von Perseus, Andromeda, Herkules im Garten der Esperidi und die Flüge von Daedalus und Ikarus.  Das Besondere an dieser opulenten Villa ist auch, dass sie  gleich  drei Eingänge hatte. Hier wurde auch die Bronzestatue des Ephebes gefunden, die jetzt im archäologischen Nationalmuseum in Neapel ausgestellt ist. Sie war die Kopie eines griechischen Originals aus der Mitte des 5. Jahrhunderts vor Christus, die einen Knaben abbildete, der die Pubertät hinter sich gebracht und gleichsam die Bürgerrechte erlangt  hatte. Der Besitzer des Hauses funktionierte sie übrigens zu einem Lampenständer für den Garten um, in dem er üppige Gelage feierte.

       

Der Archäologe Andrea Carandini  gehört indes heute  zu den Unkenrufern, die  die jüngste Einweihung als Augenwischerei ansehen und vor dem drohenden  Untergang des ausgegrabenen Pompeji warnen.  Schließlich wüste man noch immer nicht, welche Häuser tatsächlich einsturzgefährdet seien.


Wo gewissermaßen alles begann

Giambattista Tiepolo: der Meister der perfekten, erhabenen und mythologischen Malerei.



Giambattista Tiepolo war der venezianischen Malerfürst des achtzehnten Jahrhunderts. Patriarchen, Fürsten und Könige scheuten weder Kosten noch Mühen, um ihn zu engagieren. Wie kaum ein Anderer seiner Zunft beherrschte Tiepolo die Kunst der mytholoischen und theatralischen Abbildungen. Er wurde in Venedig im Jahre 1696 in einer Familie von "Kaufleuten des Meeres" geboren und lernte das Rüstzeug der Malerei in der Werkstatt von Gregorio Lazzarini, der zu den bekannten Barockmalern Venedigs gehörte. Tiepolos Ruhm ging weit über die Grenzen der Republik Venedig und Italien hinaus und erreichte Österreich, Deutschland und schließlich auch Spanien, wo er im Jahre 1770 starb. Eine einzigartige Ausstellung in der Villa Manin von Passariano (Udine) zeichnet nun eindrucksvoll seinen künstlerischen Werdegang nach. Zu sehen ist die einmalige Schau in der prächtigen Villa Manin di Passariano nahe Udine, die der Sitz des letzten Dogen von Venedig war. Kuratoren der Ausstellung sind die Kunsthistoriker Giuseppe Bergamini, Alberto Craievich und Philip Pedrocco, die über ein Jahr an deren Organisation gearbeitet haben.
Die Ausstellung zeichnet mit 60 Leinwänden und den mehr als 82 Zeichnungen das lange und fruchtbare Schaffen von Giambattista Tiepolo nach, der malerisch stets zwischen dem Heiligen und dem Profanen wandelte. Mit seinen Fresken und überdimensionalen Gemälden verlieh er seinen mächtigen Auftraggebern Pracht und Glanz.
Schnell wird auf der Schau klar, wer Tiepolos Vorbilder in der Malerei waren. Es war hauptsächlich der venezianische Manierist Paolo Veronese, aber auch Giovanni Battista Piazzetta und Sebastiano Ricci. Seine künstlerische Reife erreichte Tiepolo in Udine 1726 in Udine, wo er vom Patriarchen von Aquileia Dionisio Dolfin gerufen wurde. Hier malte er, was er gelernt hatte: Er mischte Farben mit großer Leichtigkeit und malte Fresken von beispielloser Schönheit im Dom von Udine, im Castello und im Palast des Patriarchen, in dem heute das Museo Diocesano untergebracht ist. Die Fresken stellen Szenen aus dem Alten Testament dar. Tiepolos Meisterstück aus dieser Zeit ist sicherlich das Fresko "Rachele nasconde gli idoli". Für die Figur der Rachel stand ihm seine Frau Modell. Mit großem Selbstbewusstsein demonstriert Tiepolo in diesem Fresko wie perfekt, er die bildnerischen Mittel umsetzen konnte. Der junge Maler selbst steht hinter Rachels Vater Laban und schaut den Betrachter herausfordernd an.

In den folgenden Jahren nahm es Tiepolo nicht nur mit Übervätern der venezianischen Malerei wie Tizian und Tintoretto auf, sondern auch mit dem flämischen Barockmeister Rembrandt, von dem er insbesondere von seiner Kupferstichtechnik beeindruckt war. Wahrhaft meisterlich ist auch, wie Tiepolo nie zuvor gesehene Farben mischt, die von enormer Tiefe und Facettenreichtum sind. Außergewöhnlich war auch seine Technik der Perspektive, die er gekonnt durch den Einsatz von Licht und Farbe schuf. Ein Beispiel dafür ist sein Gemälde "San Giacomo maggiore sottomette un moro" aus dem Nationalmuseum in Budapest, in dem die Figuren voller Bewegung sind und alles überstrahlen. Unübertroffen ist hier auch die Theatralik der Komposition, die an Paolo Veronese erinnert.
Von außergewöhnlicher Schönheit ist auch das große Altarbild des Doms von Este "Santa Tecla libera Este dalla peste", das mit seiner überdimensionalen Größe von 4 x 7 Metern im Salon der Villa Manin seine ganze Pracht ausstrahlt. Tiepolo vollendete das Meisterwerk im Jahr 1658, als seine Kunst eine vielbeneidete Meisterschaft erreichte. Zu sehen ist hier auch die Studie zu diesem Meisterwerk, die normalerweise im Metropolitan Museum in New York hängt.
1761 rief Karl III. von Spanien Tiepolo an seinen Hof. Er bemalte das soeben erbaute Königsschloss mit Fresken und vollendete sie schließlich 1766. In den folgenden Jahren malte Tiepolo sieben weitere Tafelbilder für die königliche Kirche von Aranjuez. Nach seinem Tod trat sein Sohn Giandomenico in seine Fußstapfen.
Die Ausstellung ist bis zum 7. April 2013 geöffnet.
Um den Schaffensweg Tiepolo abzurunden, empfiehlt sich darüber hinaus einen Besuch im Dom, im Schloss und im Diözesanmuseum von Udine. Im Museo Sartorio von Triest hingegen wird eine der bemerkenswertesten Sammlungen von Zeichnungen von Giambattista Tiepolo aufbewahrt.