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Phantom der Cosa Nostra

von Vincenzo Delle Donne, Rom




 

Das Phantom der Cosa Nostra begab sich  lässig und ohne Body Guards in die  noble Privatklinik  La Maddalena von Palermo, um sich einer  neuen Chemotherapie zu unterziehen. Beim obligaten Corona-Test scherzte er mit den anderen Patienten und machte Selfies mit seinem Onkologen. Auch an diesem Tag, der sein letzter in Freiheit sein sollte, ließ er sich unter dem Namen Andrea Bonafede behandeln und wusste nicht, dass er schon von über 50 Polizisten eingekreist war. Nach anderthalb Stunden  passierte,  was kaum jemand für möglich gehalten hatte: Der  60jährige Boss der sizilianischen Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro, konnte tatsächlich verhaftet werden. Seine Spitznamen  sind mehr oder weniger fantasievoll: U siccu, der Dünne, Diabolik oder einfach Rolex.  Bei dem Friseur seines Vertrauens ließ er sich Pietro nennen. Nach der Verhaftung von Totò Riina und Bernardo Provenzano stieg Messina Denaro zum Boss der Bosse auf. Das  gesamte Land rätselt nun, ob die sizilianische Mafia damit wirklich vor dem Ende steht.
Eine andere Frage drängt sich daraufhin unwillkürlich auf: Wird jetzt endlich Licht in das düstere Kapitel der jüngsten italienischen Geschichte gebracht, die mit der Ermordung der Antimafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino gipfelte? Gerichtlich festgehalten wurde jedenfalls, dass der italienische Staat sich nach dem Tode von Falcone und Borsellino 1992  auf einen Friedenspakt mit der Mafia einließ.

 


 

Die Verhaftung von Matteo Messina Denaro,  der während seiner dreißigjährigen Flucht unter anderem auch in Deutschland untertauchte,  erfolgte  gewissermaßen mit Ansage. Schon im letzten Sommer mehrten sich die Gerüchte, dass der Krebskranke nicht mehr lange in der Lage sei, die Organisation zu führen.  Sein Vermögen, das Strohmänner für ihn verwalten, schätzt man auf mindestens 4 Milliarden Euro.
Es ist gleichwohl nicht zu erwarten, dass Matteo Messina Denaro mit dem Justiz zusammenarbeitet, um Straferlass zu erhalten. Er weiß ohnehin, dass seine Tage gezählt sind. Im westsizilianischen Mazara, in der Nähe seines Wohnortes Castelvetrano, fand nun die Polizei mehrere Verstecke, in der der Mafia-Boss wichtiges Material bunkerte.  Ob man damit  die Mandanten der Bombenattentate auf Falcone und Borsellino dingfest machen kann, ist mehr als fraglich. Eines fällt jedoch auf: der Boss der Bosse, der ein Faible für den Luxus hat, lebte in slumähnlichen Zuständen.
Falcone sprach von seinen Feinden als „menti raffinatissime“, von wahren Intelligenzbestien, die ihm nach dem Leben trachteten.  Wenn man  die bäuerlichen Totò Riina und Bernardo Provenzano aus Corleone während der Mafiaprozesse beobachtete, fiel es schwer zu glauben, dass sie es seien, auf die Falcone anspielte. Auch Matteo Messina Denaro scheint nicht zu diesen intelligenten, kriminellen Feingeistern zu gehören. Wer sind die wahren „menti raffinatissime“ hinter der Organisation?